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Dienstag
03.10.2023

Vermarktung

Mirko Marr, Head of Research bei Mediapulse, hat viel Herzblut in das Projekt gesteckt: «Um substanzielle Diät-Erfolge zu erzielen, müssten unsere Kunden ihren Appetit zügeln und zum Beispiel den Scope der Kampagnenforschung reduzieren…»     (Bild zVg)

Mirko Marr, Head of Research bei Mediapulse, hat viel Herzblut in das Projekt gesteckt: «Um substanzielle Diät-Erfolge zu erzielen, müssten unsere Kunden ihren Appetit zügeln und zum Beispiel den Scope der Kampagnenforschung reduzieren…» (Bild zVg)

Nach einer zweijährigen Konzeptionierungsphase ist am 27. September bekannt gegeben worden, dass das Forschungsprojekt zur Messung von Online-Werbekampagnen gestoppt wurde, wie der Klein Report ausführlich berichtete.

Gemäss der ausführenden Mediapulse hätten sich die Schweizer Publisher nicht auf die Umsetzung einigen können, «vorerst» nicht, wie es heisst. Hingegen werden die Nutzungsdaten für Websites und Apps durch den Einbau von Messtags bereits erhoben.

Die Medienanbieter können also bereits Leistungsdaten aufzeigen, jetzt hätte das auch auf der Vermarktungs- und dementsprechend auch für die Kundenseite passieren sollen: Die Reichweiten von Online-Kampagnen auf den Angeboten der Publisher messen, auch hier mit dem Einbau von Tags.

Der Klein Report hat bei Mirko Marr, Head of Research, bei Mediapulse nachgefragt, was schief gelaufen ist. Chefredaktorin Ursula Klein wollte als Erstes wissen: Wer ist der Bösewicht?
Mirko Marr: «Die Online-Kampagnenforschung wurde als Branchenlösung für den Schweizer Onlinemarkt konzipiert und war deshalb zwingend auf eine breite Unterstützung und auf die Mitwirkung der wichtigsten einheimischen Medienanbieter angewiesen. Dieser übergreifende Konsens war zunächst vorhanden, aber schlussendlich nicht tragfähig genug für einen gemeinschaftlichen Auftrag an Mediapulse, die Umsetzung des Projektes zu starten und die erforderlichen Forschungsdienstleister zu mandatieren.»

Auch die Finanzierung ist bei solchen Forschungsprojekten immer ein Problem. In welchen Dimensionen hätten sich die nächsten Schritte bewegt?
Marr: «Die direkten Investitionen in Aufbau und Betrieb der Online-Kampagnenmessung wären substanziell gewesen. Berücksichtigt werden müssen zudem auch die indirekten Aufwände, welche bei den Publishern und ihren Vermarktern angefallen wären, um die Prozesse der Planung und Buchung von Onlinewerbung auf Basis der neuen Leistungsdaten anzupassen sowie die entsprechenden Tools zu entwickeln und auszurollen.»

Gibt es einen einzigen Grund oder eine Palette an Gründen für den Stopp dieser unabhängigen Reichweitenmessung?
Mirko Marr: «Natürlich gibt es für eine solche Entscheidung viele Gründe. Aus Sicht Mediapulse fehlte es, wie schon erwähnt, am gemeinsamen Willen und wohl auch an der nötigen Risikobereitschaft des Marktes. Eine unabhängige Messung der Reichweiten von Online-Kampagnen auf Basis eines Panels, wie wir sie geplant hatten, entspricht zwar den Forderungen der World Federation of Advertisers (WFA) und deren ‚North Star‘-Initiative für mehr Transparenz im Online-Werbemarkt. Die Schweiz wäre allerdings das erste Land gewesen, das eine solche Lösung nach den WFA-Vorgaben zur Marktreife bringt, und da ist die Frage sicherlich berechtigt, ob ausgerechnet die kleine Schweiz mit ihrem fragmentierten Markt den Frontrunner geben und allenfalls viel Lehrgeld zahlen soll.»

Die Werbeauftraggeber und Agenturen haben dieses Forschungsprojekt ausdrücklich unterstützt. Können oder müssen diese nun auf internationale Angebote umsteigen?
Marr: «Grundsätzlich muss man festhalten, dass der Einkauf von Onlinewerbung ja auch ohne die geplante Messung stattfindet und floriert, allerdings seit jeher begleitet von der Forderung der Werbeauftraggeber nach mehr Transparenz und Vergleichbarkeit der verfügbaren Leistungsdaten und der damit gehandelten Werbebudgets. Unsere Kampagnenforschung sollte diese Forderungen adressieren und wurde deshalb von den Werbeauftraggebern unterstützt. Kommt nun keine unabhängige Forschung, müssen die Auftraggeber nicht umsteigen, sondern mit den bereits verfügbaren Daten und dem Unbehagen daran weiterleben.»

Gemäss Mediapulse komme es nach dem Stopp zu einem Abbau der aufgebauten Strukturen bei diesem Forschungsprojekt. Wie viele Stellen gehen verloren?
Mirko Marr: «Es musste eine Stelle gestrichen werden. Darüber hinaus wurden die bestehenden Projektstrukturen zurückgebaut und die vorgesehenen Mitarbeitenden auf andere Projekte der von Mediapulse verantworteten Online-, TV- und Radioforschung verteilt.»

Die neue Kampagnenforschung hätte auf die bestehende Online-Content-Forschung aufgebaut werden sollen, die seit Sommer 2021 läuft. Wie geht es hier weiter?
Marr: «Die Online-Content-Forschung ist erfolgreich aufgebaut und eingeführt worden und stellt seitdem kontinuierlich Daten zum technischen Abruf (Traffic) und zur Nutzung (Audience) von Websites und Apps der einheimischen Publisher bereit. Die Finanzierung dieser Content-Forschung ist gesichert, Weiterentwicklungsoptionen werden derzeit mit dem Markt diskutiert und Mediapulse hat grosses Interesse daran, die Zahl der teilnehmenden Angebote laufend auszubauen und damit die Relevanz der Online-Content-Daten kontinuierlich zu steigern.»

Versucht Mediapulse der Branche nun eine abgespeckte Version anzubieten?
Mirko Marr: «Aus unserer Sicht war die abgelehnte Lösung bereits ein schlanker Kompromiss. Um darüber hinaus substanzielle Diät-Erfolge zu erzielen, müssten unsere Kunden ihren Appetit zügeln und zum Beispiel den Scope der Kampagnenforschung reduzieren…»

Und, wie gehts weiter?
Marr: «Mediapulse ist gerne bereit, darüber Gespräche zu führen, kann aber leider nicht noch einmal massgeblich in Vorleistung gehen bei der Planung und Konzeptionierung einer angepassten Online-Kampagnenforschung.»