Im Parlament bahnt sich ein Schlag gegen das Öffentlichkeitsgesetz an.
Gemäss Sitzungsprogramm der Herbstsession wird am Donnerstag um die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) debattiert. Mit einer Änderung von Artikel 52c könnte das Öffentlichkeitsgesetz teils ausser Kraft gesetzt werden.
Vorgeschlagen hat die heikle Änderung der Bundesrat. Konkret soll das Öffentlichkeitsgesetz nicht mehr gelten, wenn es um die Vereinbarung von Preismodellen und allfälligen Rückerstattungen geht.
Der Bundesrat spricht von «unumgänglichen» Restriktionen. Der Markt sei nicht bereit, hier Transparenz zuzulassen. Es sei nötig, den effektiven Preis, der für ein Arzneimittel bezahlt werden muss, geheim zu halten. Nur so profitiere die Bevölkerung von einem schnellen Zugang zu innovativen Therapien.
Das Problem ist laut Bundesrat, dass sich mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes nicht nur eine gesundheitspolitisch engagierte Öffentlichkeit, sondern auch Konkurrenzunternehmen Informationen beschaffen und sich so einen privaten Vorteil verschaffen würden.
Der Bundesrat widerspricht mit dieser Transparenzeinschränkung allerdings der Rechtssprechung von Bundesgericht und Bundesverwaltungsgericht. Diese haben in der Vergangenheit festgestellt, dass sich Unternehmen, welche mit der Öffentlichkeit Geschäfte abschliessen, eine erhöhte Transparenz gefallen lassen müssen.
Unter der Federführung der Medienvereine öffentlichkeitsgesetz.ch und investigativ.ch wehrt sich nun eine breite Allianz gegen die Schwächung des Öffentlichkeitsprinzips. Fast alle sind sie dabei: vom Verlegerverband Schweizer Medien und der SRG über Telesuisse, Medien mit Zukunft, Reporter ohne Grenzen bis hin zu SSM, Syndicom und MAZ.
Das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) definiert klare Ausnahmen, wo es nicht gilt, zum Beispiel bei sicherheitspolitisch kritischen Bereichen.
Keine der Ausnahmen betrifft bisher gesundheitspolitische Themen wie die Festsetzung der Medikamentenpreise. Im KVG will der Bundesrat nun aber das Öffentlichkeitsprinzip aushebeln und Transparenz einschränken.
Der springende Punkt ist, dass daraus ein Präzedenzfall werden könnte. Dann besteht die Gefahr, dass das Öffentlichkeitsgesetz «künftig von verschiedenen Interessengruppen fortwährend angegriffen und schrittweise abgebaut wird», wie die Allianz am Dienstag in einem Statement warnt.
Doch ist die Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips auch im konkreten Einzelfall ein Ärgernis. Denn in der Debatte um das Gesundheitssystem und seine wenig transparenten Kosten würde die Ausnahme der Medikamentenpreise vom Geltungsbereich des Öffentlichkeitsgesetzes das öffentliche Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem, der Pharmabranche und der Verwaltung womöglich verstärken.
Nur mit Transparenz könne das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden gestärkt werden, heisst es in dem Statement weiter. «Es darf nicht sein, dass sich der Staat zum Komplizen in einem intransparenten Preispoker macht.»
Seit 2016 hat sich die Zahl der journalistischen Beiträge, die mit einem Öffentlichkeitsgesetz des Bundes oder eines Kantons realisiert wurden, gemäss öffentlichkeitsgesetz.ch verfünffacht. Dabei wurden auch wichtige Missstände in der Verwaltung aufgedeckt, wie beispielsweise die Korruptionsaffäre im Seco, Spesen-Exzesse bei der Armee oder Fehleinschätzungen der Corona-Taskforce zu Beginn der Pandemie im Februar 2020.