Schon bei «Noch wach?» zeigte sich wie durch eine gut geölte Propagandamaschine von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien Public Relations für ein Werk, ein Thema, einen Autor funktioniert.
Beispiel 1: Der Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre wurde im Frühjahr monatelang vorbeworben. Ab Dezember 2022 publizierte Kiepenheuer & Witsch das Springer-Epos von «Stucki» mit einem schlichten Vermerk auf weissem Cover: «Neuer Roman».
Prominente Freunde des Ex-Junkies Stuckrad-Barre – über 70 Menschen aus Medien, Literatur, Theater, Musik, darunter Grössen wie Katja Riemann, Bill Kaulitz, Lena Meyer-Landrut, Ronja von Rönne, Kurt Krömer, Martin Suter und der omnipräsente Joko Winterscheidt – sprachen den Satz über Kapitel 1: «Dann müssen sich die Frauen auch nicht wundern.»
Die Werbekampagne war genial und das Happy End vorhersehbar: Bestseller, Omnipräsenz auf vielen relevanten Plattformen, Medien und natürlich volle Ladung auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Der Service public in Deutschland, Österreich und in der Schweiz machte beim privaten PR-Spiel so eifrig mit, als ob sie alle den deutschen Quotenbolzen fürs Überleben bräuchten.
Gleichzeitig coproduzierte ZDF-Host und Moderator Jan Böhmermann einen Podcast über den Fall Springer: «Boys Club», privat, aber was ist schon privat heutzutage?
Jan Böhmermann produziert mit Olli Schulz, ebenfalls «privat», also auf eigene Kosten, den Podcast «Fest & Flauschig» – preisgekrönt, selbstverständlich durch öffentlich-rechtliche Preise.
Die flächendeckende Vermischung von öffentlich-rechtlichen Superstars mit privatem «Business on the side» funktioniert im Kultur- und Politikteil exzellent. So ist der sehr privat angesetzte Podcast zwischen den Freunden Richard David Precht und Markus Lanz öffentlich-rechtlich mit einer Million pro Jahr bezahlt – ohne dass der Geldgeber ZDF durch ein Logo oder einen ZDF-Hinweis im Podcast platziert wäre.
Der Millionen-Bestseller Precht kriegt dadurch privat die beste Werbung für seine Bücher und seine hochbezahlten Auftritte.
Als wäre dies nicht Grauzone genug, überwalzen die privaten PR-Maschinen die öffentlich-rechtlichen Medien, die ihre Tore für jedes Lobbying, jeden PR-Gag, jedes «Labberthema», jedes neue Meme, Autor oder auch Thema im Medien- und Kulturbetrieb weit öffnen.
Medienvielfalt? Punkto Kultur, Themen, Bücher – nicht wirklich. Globish überall. Das krasseste Beispiel ist aktuell und heisst Sophie Passmann, die deutsche Inkarnation des beliebten «Neo-Feminismus» mit Woke-Touch.
Die deutsche Tageszeitung «Die Zeit» machte den Aufschlag – wie sehr oft übrigens – und brachte im Vorfeld der Neuerscheinung von «Pick me girls», dem Essay, in dem Passmann über ihre Sucht, Männern zu gefallen, als Überlebensnotwendigkeit spricht, einen Vorabdruck.
Passmann war am Wochenende Gast in sämtlichen relevanten deutschsprachigen Podcasts, auch SRF machte heftig mit, der «Standard» titelte: «Sophie Passmann seziert den Zwang, besonders sein zu wollen».
Passmann war auf allen Kanälen, egal ob private oder öffentlich-rechtliche Medien. Sie war einfach überall, unausweichlich und immer ähnlich: Der Werbesprech im Vorfeld vervielfältigte sich eins zu eins zur «Rezension».
Der Klein Report stellt fest: Privates Lobbying und eine geschickte Social-Media-Kampagne erobern die Kultur mehr als andere Bereiche. Ausgerechnet die Kultur! Die vorgibt, Vielfalt, Regionen, Unterschiedlichkeit abzudecken, folgt codebetriebenen Trendmaschinen wie der Hund bei Pawlow.
Besonders das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) ist anfällig für deutsche Public Relations, deutsches Kultur-Lobbying, deutsches Verlagsprogramm in Ton, Schrift und Code.
Sophie Passmann war – anders als zum Beispiel prominente Schweizer Autorinnen – in der «Sternstunde Philosophie», sie wird mit sage und schreibe 3939 Beiträgen auf SRF beworben.
Die Bestsellerautorin und eine der klügsten Krimi-Schriftstellerin unserer Zeit, Christine Brand, bringt es auf knapp 2000 Hinweise bei SRF, darunter viele Beiträge von 2013/14 und True-Crime-Hinweise aus Christine Brands Tätigkeit vor ihrer Schriftstellerinnen-Karriere.
Der Klein Report stellt fest: Was früher öffentlicher Auftrag war und Service public für Vielfalt, nationale und regionale Eigenheiten, Informationen zugunsten demokratischer Partizipation und Wissen darüber, was im eigenen Land so läuft – im Kulturbereich ist es zum Trendhopping für deutsche Werbekampagnen verkommen.