Soviel vorweg: «Der Club» mit dem Titel «Fall Sanija Ameti – Was lernen wir daraus?» wurde der Hauptbeteiligten in keiner Weise gerecht. Ein Gastkommentar von Journalist Thomas Renggli für den Klein Report.
Hatte die Politikerin Sanija Ameti vor rund zwei Jahren an gleicher Stelle noch mit Lust und Leidenschaft ausgeteilt und provoziert und die SVP-Herren Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt mit einem süffisanten Lächeln frontal angegriffen («Ich kann mir keinen von Ihnen schöntrinken»), wurde nun über die Frau der Stunde in der hiesigen Polit- und Medien-Szene erstaunlich handzahm und wollwollend diskutiert.
Man hatte das Gefühl, man würde sich während rund 70 Minuten in einem Seminar für Handarbeitslehrerinnen oder an einer staatlich subventionierten Opferschutz-Veranstaltung befinden (oder war es vielleicht nicht doch Täterschutz?).
Schon mit der Zusammenstellung der Runde hatte sich das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) ins Bein geschossen (pardon!). Obwohl alle Beteiligten immer wieder treuherzig behaupteten, es gehe nicht um eine «Mann-Frau-Diskussion», bewies SRF schon mit den Einladungen das Gegenteil.
Unter der Leitung von Moderatorin Barbara Lüthi diskutierten Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin Mitte, Mirjam Hostetmann, Präsidentin Juso Schweiz, Camille Lothe, Jung-Journalistin des «Nebelspalters» und ehemalige Präsidentin der Stadtzürcher SVP, Kommunikationsexpertin Barbara Schwede, Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, sowie SRF-Bundeshausredaktions-Leiter Urs Leuthard.
TV-Profi Leuthard warf irgendwann nach rund einer Stunde – als vermutlich die meisten Zuschauerinnen bereits eingeschlafen waren oder abgeschaltet hatten – die entscheidende Frage in die Runde: Sagen wir nicht unseren Kindern jeden Tag, dass sie in den sozialen Medien vorsichtig sein sollen, dass das Internet nie vergisst und dass es klare Regeln geben müsse, wie man sich dort präsentiert?
Ansonsten war die Diskussion das Gegenteil von dem, was Ameti mit ihren Schüssen auf Jesus und Maria im denkmalgeschützten Keller einer Zürcher Liegenschaft bewirkt hatte. Sie war gemässigt, politisch (über-)korrekt, etwas moralisierend – und (vor allem) ermüdend und langatmig.
Glücklicherweise war da noch die hochmotivierte Jungpolitikerin Hostetmann, die gelegentlich das Juso-Narrativ hervorkramte und die restliche Runde aus dem Halbschlaf rüttelte: «Dieses Land hasst Frauen. Und die SVP verpasst keine Gelegenheit, um bewusst Grenzen auszuloten.»
Ansonsten wirkten die Voten so pastoral, dass es fast ins Absurde kippte. Beispielsweise behauptete die Kommunikationsexpertin Schwede allen Ernstes, dass es von Ameti ein Fehler gewesen sei, sich für ihre Schiessstand-Inszenierung und die Feuersalven auf das Heiligenbild zu entschuldigen. Während Moderatorin Lüthi diese gar steile These zu überhören schien, intervenierte immerhin Leuthard («Das irritiert mich. Haben Sie das wirklich so gemeint?»).
Neben dem Fazit, dass SRF hier eine grosse Chance verpasst hat, über ein wichtiges Thema vielschichtig, offen und zielführend zu diskutieren, darf sich vor allem Sanija Ameti bei SRF bedanken (und die aktuelle Serafe-Gebühr vielleicht doppelt bezahlen): Sie wurde während fast anderthalb Stunden als wehrloses Opfer dargestellt und verteidigt.
Dabei könnte man das Diskutierte auch ganz anders zusammenfassen. Allein, dass weder die Hauptperson selber noch Vertreter ihrer Partei oder ihres Arbeitgebers (die sie ausschliessen oder entlassen wollen) nicht in der Runde sassen, lässt nur einen Schluss zu: «Les absents ont toujours tort» («Die Abwesenden sind immer im Unrecht»).