Das Radio hat im Lockdown 3 Prozent an Reichweite verloren, das TV 1 Prozent gewonnen. Die Onlineportale vermeldeten allerorten Klick-Rekorde.
Der Klein Report unterhielt sich mit Axel Beckmann, CEO der GroupM Schweiz und Ex-Geschäftsführer von MediaCom, über die aktuellen Nutzungstrends und über Verschiebungen bei den Media-Budgets, die manchmal rätselhaft wirken.
«Bei Veränderungen von -3 Prozent respektive +1 Prozent würde ich noch nicht von geänderten Nutzungstrends sprechen, dazu sind die erhobenen Daten dann doch nicht genau genug», so Axel Beckmann.
Im Juli hatte Mediapulse vermeldet, dass die Tagesreichweite des Mediums Radio im ersten Semester 2020 im Vergleich zum Vorjahr von 81 auf 78 Prozent zurückgegangen und jene des Mediums TV von 67 auf 68 Prozent angestiegen sei.
Kaum erstaunlich ist, dass in der Verunsicherung zu Beginn des Lockdowns diejenigen Medien stärker genutzt wurden, die verlässliche Informationen boten. Aus Sicht von Beckmann ein Strohfeuer: «Dieser Effekt hat sich schon wieder gelegt», sagt er. «Wir sind wieder bei den seit Jahren langfristig zu beobachtenden Nutzungstrends, und da gibt es eigentlich nur einen Gewinner, nämlich Online.»
«Grundsätzlich» gingen die Budgets dorthin, wo die Konsumenten seien. Aber eben nicht immer. «Stark geändertes Media-Nutzungsverhalten der Verbraucher, zusammen mit deutlich reduzierten Werbebudgets sowie Unsicherheit über die weitere Entwicklung, führte zu Verschiebungen im Media-Mix, die nicht immer logisch herleitbar waren. Während Entscheidungen gegen Out of Home während des Lockdowns nachvollziehbar waren, konnten die Onlineportale ihre Klick-Rekorde nicht in Gänze kapitalisieren. Letzteres gilt auch für TV», sagt Axel Beckmann aus Sicht der GroupM, die als Dachunternehmen für die Agenturen des WPP-Konzerns auftritt.
Die Agenturgruppe, zu der unter anderem MediaCom und Mindshare gehören, habe während des Lockdowns «deutliche Einbussen» verkraften müssen. Es gab «teilweise Verschiebungen in die zweite Jahreshälfte, aber teilweise auch ersatzlose Streichungen», so Beckmann weiter.
«Wir hatten für einige Monate Kurzarbeit, für die gesamte Gruppe. Die Dauer variierte je nach Abteilung und Arbeitsanfall. Jetzt arbeiten alle wieder Vollzeit.»
Für die zweite Jahreshälfte rechnet Axel Beckmann mit einer «deutlichen Erholung». «Im Grossen und Ganzen sind die Budgets dort, wie sie auch vor Corona für das zweite Halbjahr geplant wurden.»
Dass die Behörden den Lockdown nochmals im grossen Stil hochfahren, sei unwahrscheinlich. «Die Schweiz hat die erste Welle gut überstanden, dasselbe würde ich auch bei einer zweiten Welle erwarten. Einen erneuten pauschalen Lockdown erwarte ich nicht, schlimmstenfalls lokal oder regional verschärfte Einschränkungen. Aber das kann zurzeit wohl niemand verbindlich sagen.»
Vieles hat die Pandemie auf den Kopf gestellt. Auch die GroupM hat sich durch Corona verändert. «Wie der Rest der Welt haben wir gelernt, dass Homeoffice ohne grössere Einschränkungen möglich ist», sagt Axel Beckmann zum Schluss des Gesprächs.
Deshalb habe jeder Mitarbeiter der GroupM nun die Möglichkeit, drei Tage Homeoffice pro Woche zu nehmen. «Unabhängig von der weiteren Entwickling von Covid-19.»