Eine Zürcher Maturandin wirft dem Justizdepartement und dessen Kommunikationschef Oliver Washington unzulässige Eingriffe in ihre Abschlussarbeit vor. Die Affäre dreht sich um zurückgezogene Zitate, Druckausübung per E-Mail und den Vorwurf der Zensur.
«Die schriftliche Arbeit sowie der Dokumentarfilm wurden durch den Rechtsdienst des EJPD zensiert», stand auf der Titelseite der Maturaarbeit im Aushang des mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums Rämibühl in Zürich.
Das Wort Zensur hatte die «Neue Zürcher Zeitung» auf den Plan gerufen, danach folgten weitere Medien wie auch der Klein Report.
Gestützt auf das Gesetz über die Information und den Datenschutz des Kantons Zürich hat der «SonntagsBlick» nun die bearbeitete Fassung des Films und die Maturarbeit anschauen können.
«Geplant als Analyse von aussen – gelandet mitten im politischen Hickhack. Interview-Rückzug, Rechtsberatung und Machtspiele statt offenen Dialogs. Wenn eine Maturitätsarbeit zeigt, was politische Kommunikation lieber verbirgt.» Das stand auf dem Filmplakat der Studentin.
Raphael Rauch vom «SonntagsBlick» hat sich durch den Wulst an über 60 Mails gearbeitet, die zwischen dem ehemaligen SRF-Polit-Journalisten Oliver Washington und der Maturandin hin und her gingen.
Wie oft bei Journalisten, die von Compliance wenig Ahnung haben, sind die Protagonisten verwandt oder enger befreundet. Washington ist Götti der Schwester der Maturandin.
Der Schülerin hatte er erst ein Interview gegeben, zog danach aber seine zentralen Aussagen zurück. Pikant: Vor allem diejenigen zu seiner Arbeit mit SP-Bundesrat Beat Jans und zu politischen Kampagnen. Denn er sei davon ausgegangen, dass die Arbeit nicht öffentlich zugänglich sein werde, war Washingtons doch eher naive Argumentation.
Das wiesen die Gymnasiastin und ihr schulischer Betreuer von sich. Es sei von Beginn an klar gewesen, dass Arbeit und der Film in der Schulbibliothek deponiert würden.
Washington setzte die Gymnasiastin mehrfach unter Druck, gewisse Passagen zu verschweigen, wie der «SonntagsBlick» schreibt. Zudem habe er ihr kurz vor Abgabe der Arbeit Textbausteine diktiert, die in ihrem Film verwenden sollte. Einmal fragt die junge Frau Oliver Washington, ob er der «Gango von Beat Jans» sei. Gemäss der Zeitung blieb der politische Hintergrund einer SVP-Unterschriftensammlung unklar. Denn Washington zog seine Aussagen zurück.
«Oliver hat wesentliche Teile seines Interviews nach vier Tagen zurückgezogen. Besonders bei Fragen zu Coaching und dem Arbeiten mit Bundesrat Beat Jans wurde mir nicht erlaubt, die Aufnahmen im Film zu nutzen», steht in der Maturarbeit.
«Ich habe mit Oliver im Interview weiter über Kommunikationsstrategien von Beat Jans gesprochen. Ich darf diese Interviewpassagen nicht verwenden, da ich Oliver vor dem Interview nicht verständlich kommuniziert habe, dass meine Arbeit teilveröffentlicht wird», zitiert die Zeitung die Schülerin aus dem Film.
Das neue Wort heisst also «Teilveröffentlichung», wie der Klein Report lernt. Gemäss dem «SonntagsBlick» sei diese Aussage im Film nicht freiwillig erfolgt, sondern auf Druck von Washington. «Ich wäre froh, wenn du das nicht erwähnst», schrieb er ihr. Sie insistierte. Er nochmals: «Aber du kannst es ja trotzdem einfach bleiben lassen. Oder nicht? Wenn du es nicht sagst, musst du auch nicht sagen, dass du nicht verständlich kommuniziert hast, dass es teilveröffentlicht wird.»
«Mir ist nicht ganz klar, was brisant ist und wovor er Angst hat», sagte SRF-Moderatorin Kathrin Winzenried zum ganzen Fall, die von der Schülerin schon früher zu Rate gezogen worden ist. Winzenried kritisierte das Verhalten von Washington als «unprofessionell».
Die Matura hat die 18Jährige mit einer gekürzten Arbeit bestanden, die sie selbst als «zensiert» bezeichnet. Die Lust auf Politik sei ihr aber vergangen.