Im Februar 2020 berichtete «Schweiz aktuell» über den geplanten Windkraft-Park «Quatre Bornes» im Berner Jura. Nur knapp drei Monate später stimmte die betroffene Gemeinde darüber ab.
Trotzdem galt für den Beitrag nicht die erhöhte Sorgfaltspflicht, findet die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).
Kein Wunder also, gingen die Projektgegner gegen den «Schweiz aktuell»-Beitrag auf die Barrikaden. Der Beitrag habe wichtige Fakten unterschlagen, war einer der zahlreichen Kritikpunkte, die aus dem am Mittwoch publizierten Schlussbericht der UBI hervorgehen.
«Schweiz aktuell» habe etwa nicht gesagt, dass die beiden als «Bauern aus der Region» vorgestellten Landwirte, die das Windpark-Projekt initiiert haben, die Landeigentümer seien. Und ergo ein erhebliches finanzielles Interesse an dem grünen Strom hätten.
Falsch sei auch die Aussage, dass die Umweltverbände dem Projekt «grundsätzlich positiv» gegenüberstünden. Alles in allem seien die Windkraft-Befürworter deutlich bevorzugt worden, der Beitrag sei «manipulativ» gewesen, so die empörte Kritik.
Das einzige Argument eines Projektgegners wird in dem Beitrag vom Off-Kommentar tatsächlich umgehend in Frage gestellt, während die vielen von Befürwortern vorgebrachten Argumente nicht weiter hinterfragt werden.
Zu dem Vorwurf, der Beitrag sei tendenziös gewesen, erinnerte die UBI daran, dass das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verlange, dass alle Sichtweisen «qualitativ und quantitativ gleichwertig» zum Ausdruck kommen.
So sei der Beitrag zwar «in einigen Punkten etwas allgemein und wenig differenziert» gewesen, vor allem die Argumente der Windpark-Gegner und die Haltung der Bevölkerung und der Umweltverbände. Diese Mängel seien jedoch «Nebenpunkte respektive redaktionelle Unvollkommenheiten und nicht geeignet, das Publikum zu täuschen», schreibt das Aufsichtsgremium.
Die Projektinitiatoren hätten auch nicht explizit als Landeigentümer eingeführt werden müssen. «Dem Durchschnittspublikum dürfte bekannt sein, dass die Landwirte für die Bereitstellung ihrer Grundstücke eine Entschädigung erhalten.»
In knapp fünf Minuten könnten nicht «alle Aspekte vertieft» werden, so die UBI weiter. Der Fokus des Beitrags sei bereits in der Anmoderation deutlich gewesen. Es sei nicht um eine Grundsatzdebatte zu Windrädern und auch nicht um ein Pro und Contra des Projekts «Quatre Bornes» gegangen, sondern «um eine Illustration, weshalb der Anteil von Windenergie in der Schweiz so klein ist, obwohl diese zu den erneuerbaren Energien zählt, welche der Bund fördern will».
Nicht ganz uninteressant: Am 17. Mai 2020, also weniger als drei Monate nach der Ausstrahlung des Beitrags, war eine Abstimmung in der Gemeinde Sonvilier zu dem umstrittenen Windpark-Projekt angesetzt, die wegen Corona später dann verschoben wurde.
Für die UBI wog dieser Umstand nichts. Bei kantonalen und insbesondere kommunalen Vorlagen «dürfte die sensible Zeit, in welcher die erhöhten Sorgfaltspflichten gelten, ohnehin nicht so lange dauern wie bei eidgenössischen Abstimmungen», so die schwammige Formulierung im UBI-Bericht.
Die Sorgfaltspflichten sind tatsächlich eine flexible Sache. Gemäss einem Bundesgerichtsurteil hängt der Umfang der gebotenen Sorgfalt von den konkreten Umständen, dem Charakter des Sendeformats und auch vom Vorwissen des Publikums in einem Thema ab. Das kann man so sehen - oder so.