Bei der «Schweizer Familie» gab es kürzlich Grund zum Feiern. Denn die Familien-Zeitschrift aus dem Hause Tamedia konnte ihre guten Leserzahlen halten und hat die «Schweizer Illustrierte» bei den aktuellen Wemf-Leserzahlen sogar überflügelt. Der Klein Report hat mit Daniel Dunkel, Chefredaktor der «Schweizer Familie», über das Erfolgsgeheimnis der «Schweizer Familie», aber auch über seine persönliche Zukunft und das Sparprogramm bei Tamedia gesprochen.
Klein Report: Die «Schweizer Familie» (SF) weist aktuell 646 000 Leser und Leserinnen aus, die «Schweizer Illustrierte» (SI) deren 632 000. Warum ist es der «Schweizer Familie» gelungen, die «Schweizer Illustrierte» zu überholen?
Daniel Dunkel: «Eigentlich haben wir die ‚SI’ nicht überholt. Korrekt ausgedrückt ist es so, dass die ‚SI’ kräftig abgerutscht ist und jetzt hinter uns liegt. Wir haben eine ziemlich stabile Leserschaft, was heute schon ein Erfolg ist. Mag sein, dass wir mit unserer Zeitschrift die Informationsbedürfnisse der breiten Bevölkerung besser treffen als die ‚SI’. Zudem sind wir als traditionelle Abo-Zeitschrift nicht vom stark rückläufigen Kioskverkauf abhängig. Weiter möchte ich mich in der Analyse nicht auf die Äste hinauslassen.»
Klein Report: Was ist das Erfolgskonzept der «Schweizer Familie»?
Dunkel: «Aus der Leserschaft hören wir häufig, die ‚Schweizer Familie’ überzeuge mit einem spannenden und überraschenden Themenmix; man finde in jeder Ausgabe eine Perle. Zudem schätzen es die Leute, dass wir nicht vom Pult aus recherchieren, sondern im ganzen Land unterwegs sind und die Schweiz immer wieder neu entdecken. Die Swissness, die Lesernähe, der hohe Nutzwert und natürlich die grossartigen Bildstrecken sind wohl weitere Erfolgsfaktoren.»
Klein Report: Was machen Sie anders als die «Schweizer Illustrierte»?
Dunkel: «Die ‚Schweizer Familie’ ist eine Familienzeitschrift. Die ‚SI’ ist ein People-Magazin. Daraus ergeben sich zwangsläufig Unterschiede bei der Gewichtung und Wahl der Themen. Die ‚Schweizer Familie’ ist – im Vergleich mit anderen Zeitschriften – überraschend anders.»
Klein Report: Die «Schweizer Illustrierte» war jahrelang unerreichbar – auch für die «Schweizer Familie». Man sagt, Sie haben immer davon geträumt, eines Tages die ‚SI’ einzuholen. Jetzt haben Sie es geschafft. Gab es Blumen vom Verlag?
Dunkel: «Es stimmt, dass mein Stellvertreter Michael Solomicky und ich uns schon vor langer Zeit gesagt haben, wenn wir eines Tages mehr Leser als die grosse ‚SI’ ausweisen, dann haben wir unseren Job erfüllt und können abtreten. Das war natürlich scherzhaft gemeint. Es macht Spass, sich sportliche Ziele zu setzen. Und noch mehr Spass macht es, wenn man sie erreicht. Serge Reymond, das zuständige Mitglied der Unternehmensleitung, hat sich mit uns gefreut und einen grosszügigen Apéro spendiert. Damit ist die Sache erledigt. Wie die ‚SI’ müssen auch wir hart daran arbeiten, erfolgreich zu bleiben.»
Klein Report: Nach oben zu kommen, ist schwierig. Oben zu bleiben aber noch schwieriger. Was macht die «Schweizer Familie» in Zukunft, um diese Position längerfristig zu halten?
Dunkel: «Die Schlüsselfrage ist, wie man mit tendenziell weniger Mitteln eine noch bessere Zeitschrift produziert. Und wie man es schafft, jüngere Generationen an eine traditionelle Zeitschrift aus Holz zu binden. Mission: Impossible. Für mich steht fest, dass es mit der Printausgabe alleine nicht mehr getan ist und wir uns überlegen müssen, wie wir den Brand ‚Schweizer Familie’ über die gedruckte Form hinaus in Szene setzen können. Schon heute versuchen wir mit dem Nationalen Wandertag, dem Nationalen Schneetag, dem Hilfsprojekt ‚Sternenwoche’ oder dem Märchenevent ‚Klapperlapapp’ den Brand noch erlebbarer zu machen. Wir denken viel über sinnvolle Partnerschaften nach, und natürlich wollen wir auch in der digitalen Welt eine Daseinsberechtigung finden.»
Klein Report: Das Ziel der «Schweizer Familie» war immer 700 000 Leser. Das haben Sie zeitweilig erreicht. Streben Sie immer noch danach?
Dunkel: «Dieses Ziel hatten wir vor ein paar Jahren erreicht. Dann wurden die Erhebungsmethoden verändert, und fast alle Zeitungen und Zeitschriften rutschten ab. Heute bin ich froh, wenn wir einigermassen stabil sind. Man darf sich nichts vormachen: Publikumszeitschriften sind kein Wachstumsmarkt.»
Klein Report: Bleiben Sie beim bewährten Erfolgsrezept oder gibt es punktuelle Anpassungen?
Daniel Dunkel: «Wir werden nächstes Jahr da und dort inhaltliche Anpassungen vornehmen. Wir studieren am Hefteinstieg und neuen Gefässen herum, die uns noch unverwechselbarer machen sollen. Im Zentrum steht immer die Frage: Wie tickt der Zeitgeist, wer sind unsere Leser, was interessiert sie und wie können wir auf journalistisch überzeugende Art und Weise diese Interessen aufnehmen?»
Klein Report: Sie sind seit 2001 Chefredaktor der «Schweizer Familie». Es gibt im Land kaum einen zweiten Chefredaktor, der so lange im Amt ist wie Sie. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit am besten? Welche Ziele haben Sie sich noch gesteckt? Haben Sie Lust auf einen Tapetenwechsel?
Dunkel: «Die Herausforderungen an mich als Chefredaktor haben sich in all den Jahren permanent verändert. Laufend sehe ich mich mit neuen Fragen und Problemen konfrontiert, lerne immer dazu. Das macht den Job spannend und privilegiert. Es gefällt mir, jeden Tag mit einem motivierten Team zu arbeiten und täglich neue Leute kennenzulernen. Zu ihrer zweiten Frage: Ich erwarte nicht, dass mir jemand in den nächsten Jahren einen ebenbürtigen Job anbietet. Wer behauptet, die Wirtschaft habe einen Bedarf an 60-jährigen Angestellten, der verkennt die Realität. Ich nehme mir die Freiheit, so lange als Chefredaktor der ‚Schweizer Familie’ zu arbeiten, wie es dem Titel, der Redaktion, dem Unternehmen und mir selber dient. Danach warten neue Abenteuer auf mich.»
Klein Report: Sie haben die «Schweizer Familie» vor dem Absturz gerettet. Unter Ihrer Ägide gab es einige Umstrukturierungen und Kündigungen. Trotz Erfolg ist Sparen auch bei Tamedia das vorherrschende Thema. Auch bei der «Schweizer Familie»?
Dunkel: «Ja, auch wir müssen sparen. ‚Sparen ist eine gute Einnahme’ – das hat kein Zürcher Medienmanager, sondern Marcus Tullius Cicero schon vor über 2000 Jahren gesagt.»