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Mittwoch
07.06.2017

Medien / Publizistik

«Mediale Bearbeitung von Terroranschlägen»

«Mediale Bearbeitung von Terroranschlägen»

Absage an Routine im Umgang mit Terrorismus: Das «St. Galler Tagblatt» und die «Luzerner Zeitung» verzichteten in ihren Ausgaben vom Dienstag komplett auf eine Berichterstattung zum jüngsten Terroranschlag in London.

Unter dem Seitenkopf «Terror in London» erschien stattdessen eine leere Seite und ein Satz in Gedenken an die Opfer des Anschlags. Gegenüber dem Klein Report erklärt Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik der Regionalmedien der NZZ Mediengruppe, was ihn dazu bewegte.

«Ich hatte schon etwas länger die Idee, die mediale Bearbeitung von Terroranschlägen zu problematisieren. Am Montag habe ich entschieden, diese Idee zu verwirklichen und ein Zeichen gegen den Terror und unseren routinierten Umgang mit ihm zu setzen», so Hollenstein.

Einzig der Satz: «In Gedenken an die Opfer des islamistischen Terrors verzichten wir hier auf eine Berichterstattung» wurde in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt» abgedruckt. Gemäss Hollenstein sei dies als Antwort auf die Kritik, Redaktionen würden sich durch das Verbreiten von Nachrichten zu Komplizen der Terroristen machen, zu verstehen.

«Die leere Seite steht dafür, dass Gewaltverbrecher nicht die Agenda der Medienhäuser diktieren dürfen», führt er weiter aus. Vor allem die «ritualisierte» Berichterstattung zum Thema führe aber dazu, dass die mediale Inszenierung solcher Anschläge immer mehr selber zu einem Teil des Terrorismus werde.

«Zuerst bringen alle Medien `Breaking News`, dann schreiben sie über den Täter und warum die Polizei ihn nicht am Anschlag hindern konnte und am Schluss dürfen sich noch Politiker zum Anschlag äussern», ärgert sich der ehemalige Ressortleiter Schweiz der «NZZ am Sonntag».

Diese ritualisierten Berichte würden der Thematik ihre Relevanz nehmen und dazu führen, dass die Leser abstumpfen. So habe die Öffentlichkeit zwar einen Anspruch auf Information, doch besonders im Print habe man als Journalist immer noch die Möglichkeit, «gewisse Muster zu durchbrechen, einen Schritt zurückzutreten und zu reflektieren», so Hollenstein.

Die leeren Seiten seien seine persönliche Aussage zum Thema. «Der Täter war Islamist, es gab mehrere Tote. Mehr braucht man im Grunde nicht zu wissen», findet er. Nur schon bis am Dienstagmorgen habe er knapp hundert Lesermails bekommen, die ihre Wertschätzung darüber ausgedrückt hätten. «Vielleicht hilft dies auch dabei, in anderen Medienhäusern eine Debatte auszulösen», so der studierte Historiker.

Seine Aktion wiederholen will er aber nicht. «Das war eine einmalige Sache, die in diesem speziellen Moment für mich gepasst hat», sagt er abschliessend zum Klein Report.