Auch aggressive Schlägertypen haben ein Recht auf Anonymisierung. «Le Matin Dimanche» berichtete en détail über sechs Männer, die Passanten spitalreif geschlagen hatten. Den Schutz der Privatsphäre hat der Tamedia-Titel dabei vernachlässigt.
Sechs junge Männer hatten zwei 30-Jährige in der Genfer Innenstadt eingekesselt und zusammengeschlagen. Die beiden wurden schwer verletzt. «Le Matin Dimanche» porträtierte kurz nach der Tat die sechs Täter. Und dies recht detailliert. Vier der Schläger setzte die Tamedia-Zeitung sogar ins Bild, wobei die Gesichter teilweise mit schwarzen Balken verdeckt wurden.
Einer der Angreifer beschwerte sich beim Presserat, weil ihn die Detailliertheit der Berichterstattung «identifizierbar» gemacht hätte. Unter anderem hatte sich «Le Matin Dimanche» über seine Herkunft, sein Alter, seine Körpergrösse, das Studium und den Sport, den er betreibt, ausgelassen. Auch seinen Wohnort und sogar sein Spitzname standen in der Zeitung.
War der mutmassliche Täter also «für Dritte ausserhalb des familiären, sozialen oder beruflichen Umfelds» erkennbar? Aus Sicht des Schweizer Presserats ja. «Le Matin Dimanche» hätte auf jene Details verzichten sollen, die fürs Verständnis nicht «sehr relevant» waren und deren Kumulierung die Identifizierung erleichterte.
Nur für den Zusammenhang unerlässliche Details zu Personen sind demnach legitim. Oder solche, für die ein «überwiegendes öffentliches Interesse» besteht. «Auch wenn der mutmassliche Täter eines schweren Vergehens beschuldigt wird, haben er und seine Familie das Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre», heisst es in der französischsprachigen Urteilsbegründung.