Der Presserat hielt am Dienstag in einem weiteren Urteil fest: «Wenn ein Journalist in einem Artikel schwere Vorwürfe gegenüber einer Person erhebt, genügt es nicht, wenn er vorgängig den Betroffenen bloss schreibt, `gerne würde ich Sie etwas fragen` und um einen Rückruf bittet.» Deshalb hat er eine Beschwerde der Sterbehilfe-Organisation Dignitas gutgeheissen.
Im konkreten Fall hat ein Journalist der «NZZ am Sonntag» dem Dignitas-Gründer Ludwig A. Minelli in einem Artikel vorgeworfen, er habe den letzten Willen einer Verstorbenen missachtet. Zwar hat der Journalist vor der Publikation mehrmals versucht, Minelli telefonisch und schriftlich zu erreichen. Doch in keiner Anfrage nannte der Journalist den konkreten Vorwurf. Dies widerspricht nach Ansicht des Presserats der Anhörungspflicht. Denn nur wenn ein Betroffener wisse, was ihm vorgeworfen werde, könne er entscheiden, ob er dazu Stellung nehmen wolle oder nicht.
Von der Pflicht zur Anhörung seien Journalisten auch dann nicht entbunden, wenn Dignitas auf ihrer Website festhalte, «nur in Ausnahmefällen» und auch dann nur unter bestimmten Voraussetzungen zu Medienanfragen Stellung zu nehmen.
Der Presserat hat im gleichen Beschwerdefall zudem gerügt, dass die «NZZ am Sonntag» auch in einem Folgeartikel eine falsche Behauptung nicht in erkennbarer Weise richtigstellte, obwohl Dignitas einen schriftlichen Beweis für die richtige Version lieferte.
Mittwoch
13.10.2010




