Wenn stimmt, was über Roger Köppels Hausparty berichtet wird, dann war es eines dieser rauschende Feste, die nur in Berlin stattfinden können. Wenn die Gerüchte nicht stimmen, dann schmeicheln sie zumindest Köppels Ego.
Also, Roger Köppel hat in seiner Wohnung in Berlin Kai Diekmann zu einer Autorenlesung eingeladen («Ich war Bild»). Früher hat dort übrigens Hildegard Knef gelebt. Die bekannte Schauspielerin und Chansonsängerin, die 2002 verstorben ist, ist bis heute eine deutsche Legende.
Tout Berlin war bei Köppel. Zu Beginn war Julian Reichelt, der Nachfolger von Diekmann, das grosse Fragezeichen. Kommt der geschasste Chefredaktor der «Bild»-Zeitung oder kommt er nicht in den Salon littéraire à la Roger Köppel? Reichelt liegt bekanntermassen in einem heftigen Rechtsstreit mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Axel Springer.
Das Essen superb, die Stimmung Kanone. Wie das traditionelle «Weltwoche»-Sommerfest, halt von den Namen her ein paar Nummern grösser und verschwiegener. Es galt gar ein Handyverbot. Köppel selber mag nicht dementieren, und bestätigen schon gar nicht: «Ich führe über Gästelisten und Anwesenheiten (…) keine öffentliche Korrespondenz», sagte er auf Anfrage des Klein Reports.
Wer die aktuelle Nummer der «Weltwoche» in den Händen hält, weiss: Die Party der «Weltwoche» findet in Deutschland statt. Schweizer Themen gibts in den ersten Seiten, dann gehts ab: Deutschlands Russland-Politik, Franz Josef Strauss, deutsche Frauenbrüste in Freibädern und natürlich Otto (Walkes).
Und wer die «Weltwoche» regelmässig liest, kommt sowieso nicht aus dem Staunen heraus: Wie schafft es die Redaktion, die berühmtesten und teilweise umstrittenen deutschen Publizisten an Bord zu holen: unter anderen Thilo Sarrazin, Oskar Lafontaine, Milosz Matuschek, Matthias Matussek?
Gemessen an der Zahl der verkauften Exemplare geht es der «Weltwoche» so schlecht wie noch nie: 36’965, so lautet die brutale Zahl der Wemf von 2022.
Drei Publikationen in der Schweiz streiten sich um das gleiche Publikum, das liberale Bildungsbürgertum. Es sind dies natürlich die NZZ, die «Weltwoche» und seit ein paar Jahren nebelspalter.ch.
Ihre Strategien sind höchst unterschiedlich. Die NZZ konzentriert ihre Kräfte in ihr Berliner Korrespondenten-Büro. Der Erfolg gibt dem letzten Schweizer Weltblatt recht. Umsatz und operatives Ergebnis zeigen nach oben. Der nebelspalter.ch, der keine Zahlen offenlegt, bindet seine Leserinnen und Leser mit nationalen Entrüstungsartikeln. Wer über «linke» Bildungsthemen und Genderthemen sein Mütchen kühlen möchte, liest mit Vorteil den «Nebelspalter».
Für Köppel wird es eng. Die Abozahlen gehen nach unten, die Konkurrenz schläft nicht. Den Aufwand der NZZ kann sich die «Weltwoche» nicht leisten. Gemäss Recherchen des Klein Reports deuten alle Anzeichen innerhalb des Verlages darauf hin, dass das Wochenblatt auch nach Deutschland expandieren will.
Mit seiner Ankündigung, seinen Sitz im Nationalrat diesen Herbst nicht mehr zu verteidigen, verblüffte Roger Köppel viele Anhänger. Die letzten acht Jahre betrachtend, hat sein Mandat der Zeitschrift allerdings wenig gebracht. Interna aus dem Bundeshaus verbreitete er in der «Weltwoche» selten weiter, und wenn, dann wurde es kritisch für ihn.
«Grüezi mitenand», begrüsst Roger Köppel seine Zuschauer, «liebe Freunde, vor allem aus Deutschland und Österreich. Ich begrüsse Sie zur internationalen Ausgabe von Weltwoche Daily». Im Hintergrund die Flaggen von Deutschland und Österreich. 80’000 Klicks an einem Tag. Viele Kommentare stammen aus dem nördlichen Nachbarland.
Seit einem Jahr gibt es das «‚Weltwoche‘-Monatsabo für Deutschland». Für 17 Euro im Monat gibts die für «Deutschland relevanten Teile» und die «speziell für Deutschland erstellten Bezahl-Inhalte». Mit Schweizer Content wird die deutsche Leserschaft schon gar nicht belästigt. Zwei Welten entstehen da: die Schweizer «Weltwoche» und die deutsche «Weltwoche».
Der Ausgang ist offen, Roger Köppel will sich gegenüber dem Klein Report nicht dazu äussern. Die Sache könnte aufgehen. Dass Matuschek, Sarrazin und Lafontaine in der «Weltwoche» ihre Positionen darlegen können, hat viel mit dem deutschen Magazinmarkt zu tun. Die «Zeit», der «Spiegel», «Fokus» und der «Stern»: Nirgends findet sich ein Türchen für Meinungen rechts vom Mainstream.