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Donnerstag
05.11.2020

Medien / Publizistik

Viel Pathos und wenig Substanz: Während der ersten Medienkonferenz im Weissen Haus ruft Trump seine Fans dazu auf, die Wahlen nicht anzuerkennen... (Bild: Screenshot CNN)

Viel Pathos und wenig Substanz: Während der ersten Medienkonferenz im Weissen Haus ruft Trump seine Fans dazu auf, die Wahlen nicht anzuerkennen... (Bild: Screenshot CNN)

Donald Trump macht das, was er angekündigt hat: Der Präsident hat sich um 08.20 Uhr (MEZ) noch während des Wahlprozesses als De-facto-Sieger ausgerufen, zu einem Zeitpunkt, wo für den Herausforderer Joe Biden 220 Stimmen und für Donald Trump 213 Stimmen ausgezählt waren.

Trumps Gäste im Weissen Haus sassen nah beieinander, ohne Masken und frenetisch applaudierend, als der US-Präsident weitere Zahlen zu seinen Gunsten in den Raum warf, die von Polit-Journalist Jörg Schönenborn von der ARD Minuten später im Check auch gleich als korrekt in der Tendenz bestätigt wurden.

Der Präsident sagte aber auch, dass es sich bei noch nicht ausgezählten Staaten um Wahlbetrug handle und er das Oberste Gericht anrufen werde. Ein einmaliger Vorgang in den USA. Und: Genau das, was er im Vorhinein angekündigt hat.

Der Klein Report verfolgt die US-Wahlen und wirft einen kritischen Blick auf die Medien. An der Berichterstattung arbeiten Ursula Klein, Jonathan Progin und Andreas Panzeri.

Wie haben das Schweizer Fernsehen oder Blick TV die Worte von Trump eingeschätzt? Bei SRF redete Martin Naville, Chef der Handelskammer Schweiz - USA, Donald Trumps unsäglich demokratieverachtende Aussagen milde lächelnd herunter, immer mit dem Nachzug, man kenne den Trump ja. Von der Moderatorin kam keine Gegenrede, kein Stopp.

Sehr ähnlich bei Blick TV, wo Journalist Markus Somm zwei Mal nonchalant bemerkte, «herzig, wie sich die Journalisten von CNN empören». Eine künstliche Empörung sei das, unter Erwachsenen würde man einfach sagen: «Der spinnt ächli.»

Der US-Präsident wiegelt während der ersten Pressekonferenz im Weissen Haus mit viel Fanfare und Pathos seine Anhängerschaft einmal mehr gezielt dahingehend auf, die Wahlen nicht anzuerkennen. Er machte weiter Wahlkampf und bretterte mit einer enormen Breitenwirkung über viele TV-Sender und Onlinemedien seine Botschaften in die USA hinaus.

Für den Klein Report ist diese Situation ein historischer Moment, und es ist definitiv fehl am Platz, wenn Journalisten pseudocool die Aussagen von Donald Trump herunterspielen, wie es Markus Somm im Blick-TV-Gespräch am frühen Mittwochmorgen mit Roger Schawinski immer wieder gemacht hat.

Dieser gab, Gott sei Dank, Gegensteuer und sprach von einer «brandgefährlichen Situation». Schawinski zum Klein Report nach der Sendung: «Trump hat mit seinen Aussagen seine Drohungen wahrgemacht.» Er werde den Wahlausgang nicht akzeptieren. «Das ist eine extreme Gefahr für das Fortbestehen der amerikanischen Demokratie», so Schawinski weiter.

Nun ist es nicht zu einem Erdrutschsieg vom einen oder anderen Kandidaten gekommen. Vieles ist neu für die US-Amerikaner, aber auch für den Rest der Welt. Ein Sieg für die Demokratie ist aber die Rekordwahlbeteiligung von 160 Millionen Wahlberechtigten, von denen zwei Drittel per Briefwahl abgestimmt haben, wobei genau das auch für die Demoskopen Neuland ist.

Was viele ziemlich unterschätzen, ist die Kraft der Bilder, die nicht nur über die sozialen Medien in den nächsten Stunden und Tagen ausgespielt werden.

Auch das enorme Tempo in den sozialen Medien ist in der Handhabung für viele etablierte Medien immer noch schwierig, widerspricht aber auch ihrem Verständnis einer korrekten oder seriösen Berichterstattung, die eben auch Zeit braucht.

Sehr gut gehalten haben sich bisher die ARD und ZDF, die einfach eine «gereifte Berichterstattung», wie man es vielleicht nennen kann, abliefern.

Was nun noch in den Swing States an Auszählungen folgt, wird so oder so vor dem Supreme Court landen, was Donald Trump angekündigt hat, aber auch das Joe-Biden-Team bringt seine Anwälte in Stellung. Der demokratische Präsidentschaftskandidat rief zu «Geduld» auf, wobei auch der Demokrat sich schon auf der Siegerstrasse wähnt(e).

Sollte es im weiteren Wahlverlauf aber zu Unruhen kommen und nur eine Person käme zu Schaden, so braucht man kein Prophet zu sein, um festzustellen: Die Lage ist «brandgefährlich» und kann schnell ausser Kontrolle geraten.