Das Online-Angebot in Österreich NZZ.at ist gemäss NZZ-CEO Veit Dengler «sehr gut gestartet». Allerdings gibt es Kritik am Projekt im Ausland, da es den Ansprüchen des Verlagshauses nicht gerecht werde.
«NZZ.at ist nichts anderes als ein persönliches Vehikel für den österreichischen CEO», so Jürg Dedial, ehemaliger Auslandredaktor der NZZ, gegenüber dem Klein Report. Er hatte zusammen mit weiteren fünf ehemaligen NZZ-Mitarbeitern ein Flugblatt verfasst, das anlässlich der Generalversammlung am 11. April verteilt wurde und in welchem dem CEO vorgeworfen wurde, sich «ein sündhaft teures Steckenpferd in Wien» zu zimmern, das «allein seiner Imagepflege» diene.
«Was denn sollen die 20 Journalisten, die für .at arbeiten, NZZ-Typisches anbieten?», fragt sich Dedial. «Die NZZ wird in Österreich nicht geschätzt, weil ehemalige `Presse`- und andere Lokaljournalisten für sie arbeiten, sondern die (Schweizer) Korrespondenten. Diese haben jenen Blick, der den österreichischen Medien fehlt», behauptete er.
«Diese Argumentation zeugt von geringer Kenntnis des österreichischen Marktes», konterte CEO Veit Dengler gegenüber dem Klein Report. «NZZ.at wurde sowohl im Leser-, als auch im Werbemarkt sehr gut aufgenommen. Das zeigt, dass unsere Entscheidung richtig war.»
Ein Grund dafür ist seiner Meinung nach, dass mit NZZ.at dem gewandelten Verhältnis zwischen Journalist und Leser Rechnung getragen werde. «Viele Leser nutzen die Möglichkeit, im sogenannten Clubbereich selbst zu bloggen», so Dengler. «Die Beiträge haben ein hohes Niveau und bereichern die Berichterstattung der Redaktion.»
Als Erfolg verbucht er auch die Clubabende, die jeweils am Montag in der Redaktion stattfinden und immer ausgebucht seien. «Die Diskussionen werden auch offline weitergeführt. Wir probieren mit NZZ.at viel Neues aus und nutzen das Wissen, das wir dadurch gewinnen, auch in anderen Bereichen der Gruppe.»
Nun seien die technische Kinderkrankheiten weitgehend behoben und das Team in Österreich konzentriere sich auf die weitere Verbesserung der Usability und die Implementierung neuer Funktionalitäten und Angebote.
«Wir wollen im gesamten deutschsprachigen Raum präsent sein», umreisst er das Entwicklungspotenzial im Nachbarland. «Österreich ist deshalb ein spannender Markt, weil er verhältnismässig klein ist und sich daher sehr gut eignet, um neue Produkte zu testen. Deutschland ist der massenmässig interessantere, aber auch anspruchsvollere Markt.»
Die Kritik der ehemaligen NZZ-Mitarbeiter im Flugblatt zielt auch auf politische Ambitionen von Veit Dengler ab. «Wie konnte der Verwaltungsrat für den Posten des CEO einen branchenfremden, mit den Gegebenheiten der Schweiz völlig unvertrauten österreichischen Jung-McKinseyaner berufen?», heisst es darin. «Dessen erklärtes Interesse gilt einer Karriere in der österreichischen Innenpolitik - er möchte Minister werden, wie er öffentlich bekannte.»
Dengler beruhigt, dass er der NZZ noch eine Weile erhalten bleibe, gibt aber keine direkte Antwort auf die Frage, ob er zu einem späteren Zeitpunkt ein politisches Amt anstrebe: «Ich bin fest entschlossen, den Turnaround zu schaffen. Das wird einige Zeit und Kraft in Anspruch nehmen», sagte er. «Was wir mit der NZZ-Mediengruppe vorhaben, erfordert einen langen Atem und eine klare Strategie. Genau das haben wir. Unsere Strategie ist auf die lange Frist ausgelegt.»
Dennoch will er politisch Stellung beziehen und der FDP Schweiz beitreten. «Ich bin ein politisch interessierter Mensch. In Österreich habe ich eine liberale Partei mit aufgebaut, weil die Zeit reif dafür war. Jetzt lebe ich in der Schweiz. Da war es für mich naheliegend, auch der hiesigen liberalen Partei beizutreten.»
Auf die Frage, welche politischen Ziele er damit verfolge, meinte er: «Ich verfolge hier aber selbstverständlich keine politischen Ambitionen. Ich bin hier, um die NZZ-Mediengruppe in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.»
Verwaltungsrat Etienne Jornod steht auf jeden Fall hinter seinem CEO. «Die Geschäftsleitung leistet hervorragende Arbeit und hat die volle Unterstützung des Verwaltungsrats», meinte er am Donnerstag gegenüber dem Klein Report.