Es ist kein künstlicher Theaterdonner, sondern ein echter Paukenschlag: Wie der «Tages-Anzeiger» am Freitag als Erster berichtete, werden Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg ihre Intendanz am Schauspielhaus Zürich nicht über die Spielzeit 2023/24 hinaus verlängern.
Beide verlassen somit Zürich im Frühling 2024. «Die Stadt und ihre in Sachen Kultur traumtänzelnde Regierung zieht die Reissleine, um das Ansehen ihres Theaters nicht nachhaltig zu schädigen», kommentiert in der Folge die «Frankfurter Allgemeine Zeitung».
Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt von einem «Eklat». Das bürgerliche Publikum hätte sich mit dem progressiven Programm von Stemann und Blomberg nicht anfreunden können. «Das ist sein gutes Recht. Die Intendanten wiesen jede Kritik von sich. Denn natürlich gibt’s auch Lob für das Schauspielhaus. Von der Presse, von der Theater-Community, manche Vorstellungen sind tatsächlich gut besucht. Von jungen Besucherinnen und Besuchern, die dem Schauspielhaus bisher eher fernblieben», heisst es bei der alten Tante.
Die Debatte um die Ausrichtung des Hauses war in den vergangenen Monaten immer schärfer geworden. Auch ein «Publikumsgipfel» am 18. Januar auf der traditionellen Pfauenbühne konnte kein Vertrauen herstellen. Dabei wurde damals noch optimistisch eingeladen: «Im Anschluss bietet sich bei einem Apéro noch die Gelegenheit für weitere Gespräche. Wir freuen uns auf den konstruktiven Austausch. Wir freuen uns auf Sie!»
Die Vorfreunde musste Wunschdenken bleiben. Der ursprüngliche Anspruch, ein «Theater für alle» zu machen, hat sich nicht erfüllen können. Die Auslastung war in der Ära Stemann/Blomberg zu niedrig. Abos wurden gekündigt. Es rumorte eine Anti-Stimmung selbst bei denen, die sich als progressive Theatergänger verstehen. Im Haus häuften sich die Personalwechsel, wie der Klein Report von vielen Insidern hören konnte.
Der «Tages-Anzeiger» stützt seine Meldung auf «drei informierte Quellen». Offiziell bestätigt wurde bis Sonntagabend noch nichts. Man informiere nächste Woche. Auch für eine Nachfrage von nachtkritik.de war die Pressestelle des Schauspielhauses telefonisch zunächst nicht zu erreichen.
Für die Kritikerin Alexandra Kedves vom «Tages-Anzeiger» wäre der erwartete Abschied von Stemann/von Blomberg aus dem Zürcher Schauspielhaus «kein Anlass zum Jammern». Aus ihrer Sicht habe das Duo «Pech gehabt», die Corona-Pandemie habe das Haus in der «Kennenlernphase» erwischt. Doch hätte das Duo «bei allem Bemühen auch ein wenig verkannt, was man in Zürich servieren muss und wie. Viele haben schon über die vorherige Intendantin Barbara Frey geschnödet, doch sie sprach mit ihrem Mix aus klassischen Ensemblestücken und experimentierfreudigeren Projekten ein breites Publikum an – ganz ohne eigene Tanzgruppe, komplizierte Strukturen, hehre Ansagen.»
Ob endgültiger Vorhang oder Cliffhanger vor der Pause: Kein Thema mehr sei auf jeden Fall die vom Schauspielhaus geforderte Erhöhung des städtischen Beitrags. Es ging um zusätzliche 1,8 Millionen Franken ab 2024, um die steigenden Kosten für eine «nachhaltige wirtschaftliche, ökologische und soziale Betriebsführung» zu decken. Stadtpräsidentin Corine Mauch hatte die Forderung zurückgewiesen. 38 Millionen Subventionen jährlich müssten genügen.
Laut «NZZ am Sonntag» hat der Verwaltungsrat des Theaters die Vertragsgespräche mit dem Duo abgebrochen. Es soll unter anderem zu Uneinigkeiten bezüglich der Bezahlung von Theatermitarbeitenden gekommen sein. Das Intendanten-Duo soll gerechte Löhne für alle gefordert haben, der Verwaltungsrat wollte angeblich lieber sparen, wie mehrere Quellen übereinstimmend sagen.