Tarkan Özküp ist Chief Commercial Officer von CH Media. Nach einem Jahr und 100 Tagen im Amt gibt er dem Klein Report ein Interview. Ein Gespräch mit Chefredaktorin Ursula Klein über Advertising-Trends und Teamgeist.
Seit 1. April 2023 sind Sie CCO von CH Media und auch Teil der Unternehmensleitung. Wie haben Sie dieses erste Jahr erlebt?
Tarkan Özküp: «Es war geprägt von vielen Umbrüchen. Das gilt insbesondere für den Werbemarkt. Dieser ist vielschichtiger, ja unberechenbarer geworden.»
Inwiefern unberechenbarer?
Özküp: «Im Digitalen sehen wir einen kontinuierlichen Druck auf die Rentabilität, welche von allen Marktteilnehmern hausgemacht ist, zum Beispiel durch zu tiefe Kontaktpreise (eCPM) – man verschleudert aus kurzfristigem Umsatzdenken sein Inventar, statt langfristig dessen Kostbarkeit zu erhalten.»
Wer tut das?
Tarkan Özküp: «Diejenigen, die mehr Inventar haben, als sie verkaufen können…»
Was ist Ihr Rezept?
Özküp: «Als Nummer 3 der werbefinanzierten Verlage können wir nicht über den Preis gehen. Wir wollen punkten mit Wertigkeit und Service. Dafür haben wir den Bereich Digital Advertising Department (DAD) geschaffen, um das digitale Inventar in Co-Vermarktung mit der Audienzz AG anzubieten.»
Ist das nicht teuer?
Tarkan Özküp: «Gratis ist es nicht, das ist klar, aber es ermöglicht es uns, den Fokus mehr auf Content-Marketing- und Sponsoring-Produkte zu legen. Das Kundenbedürfnis, insbesondere im KMU-Bereich, nach Branding via Storytelling und -distribution, nimmt stetig zu und gehört darum neben dem klassischen Verkauf mindestens gleichberechtigt in die All-Media-Verkaufsstrategie von CH Media.»
Was meinen Sie mit All-Media-Verkaufsstrategie? Machen das nicht alle schon lange?
Özküp: «Nicht dermassen konsequent integriert, wie es uns vorschwebt. Ziel ist es, dass wir eine Kultur der Partnerschaft über alle Mediengattungen hinweg entwickeln. Die Teams sind sich gegenseitig Vertrauen schuldig, schulen sich gegenseitig konstant, treffen sich an runden Tischen und müssen auch offen sein für lebenslanges Lernen. Und den Weg auch ins Büro zurückfinden.»
Return to Office? Ist das nicht ein bisschen unzeitgemäss?
Tarkan Özküp: «Anders geht es nicht. Zwei Tage zu Hause sind aus Konzentrationsgründen bei Konzeptarbeit für mich okay. Um informellen Austausch zu ermöglichen, ist Facetime wichtig. Mein Credo: Gemeinsam erfolgreich sein. Niemand kann in einem Marketingbereich für sich statuieren, allein eine Idee gehabt und umgesetzt zu haben. Das kann nur ein Team mit unterschiedlichen Talenten, Spezialistinnen und Expertinnen sein. Aber von daheim aus oder aus dem Café Bonheur ist das nicht möglich! In der Pandemiephase hat Homeoffice Energie gegeben, da es neu war, aber über die Zeit auch ausgelaugt, weil sich Privates und Berufliches komisch überlagerten. Menschen zu treffen, gibt Verkaufs- und Marketingpersonal Energie und Spass am Teamgeist wieder zurück.»
Sie sind für die gesamte Vermarktung von Print, Radio, Online und TV verantwortlich. Die CH Media-Sender haben im letzten Jahr deutlich Marktanteile gewonnen. Wie haben Sie das gemacht?
Özküp: «Das TV-Portfolio generierte 2023 gegenüber dem Vorjahr ein Wachstum von 16 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe der 15- bis 49-Jährigen. Geschafft haben wir das vor allem mit unseren Eigenproduktionen, Livesport und einer konsequenten Programmschärfung der einzelnen Sender.»
Heisst das, Sie brauchen Goldbach gar nicht mehr?
Tarkan Özküp: «Doch natürlich! Gutes Programm und gute Vermarktung müssen sich ja ergänzen. Aber das Sponsoring bleibt bei uns in der Eigenvermarktung und das ergänzen wir mit von unseren Marketingfachleuten massgeschneiderten Content-Marketing-Lösungen. Je nach Herausforderung der Kommunikation und der Marketingziele unserer Kunden.»
CH Media führt 18 Zeitungstitel. Wo steht Print derzeit und was sind die strategischen Ziele für die nächsten Monate?
Özküp: «Es sind 17 Tageszeitungen, die ‚Schweiz am Wochenende‘ und acht Anzeiger, und die sind nach wie vor zentral in unserem Portfolio, auch wenn das Marktumfeld anspruchsvoll ist.»
Aber die sinkenden Print-Umsätze können nicht durch den Zubau im Digitalen wettgemacht werden?
Tarkan Özküp: «Ich bin erstaunt, wie viele Werbetreibende eine klare Intermedia-Strategie erarbeiten und Print mit einer überdurchschnittlichen Sichtbarkeit für ihre Botschaften immer noch hochschätzen. Schaut man sich an, wie die Nutzerstrukturen sich auf allen digitalen Newsportalen in der Schweiz entwickelt haben, dann unterscheiden die sich nicht mehr gross von der Printpopulation. Die Watson-Userschaft beispielsweise bewegt sich in der gleichen Einkommensklasse wie die der ‚Schweiz am Wochenende‘. Das ist eine gute und zugleich spannende Entwicklung.»
Das ist aber bei Ihren Mitbewerbern auch so, wie wollen Sie sich abheben?
Özküp: «Wir haben aber gegenüber allen Mitbewerbern einen entscheidenden USP: Den regional verankerten Journalismus, der nahe bei den Menschen ist. Immer mehr Marken schätzen unsere Regionalität, sei es online, im Print oder im Äther.»
À propos Äther: Wie haben sich Ihre Radiosender entwickelt?
Tarkan Özküp: «Richtig gut! Die entwickeln heute die allerbesten Produkte-Mixe für den Verkauf. Promotionen, Aktionen, Neueröffnungen, Abverkäufe – alles passt zu Radio und das Radio fügt sich seinerseits nahtlos in DOOH- oder digitale Planmodelle ein. Wir investieren deshalb ins Gattungsmarketing und werden die Radios weiter stärken. In Europa sehen wir wachsende Werbe-Marktanteile für Radio. Das werden wir auch in der Schweiz hinbekommen.»
In Ihrer Zeit bei Watson ist es mit einer klaren Strategie und einem engagierten Team gelungen, das Portal in die Gewinnzone zu führen. Wie hat sich das Portal in der Deutschschweiz zwischenzeitlich weiterentwickelt und wo steht die Romandie?
Özküp: «In der Deutschschweiz haben wir fünf Millionen monatliche User, in der Westschweiz eine Million, die zusammen 20 Millionen Mal mindestens eine halbe Stunde bei Watson verbringen. Das ist aber nicht in erster Linie das Verdienst von Michael Wanner und mir, sondern dasjenige des Westschweizer Chefredaktors Fabien Feissli und unseres Publizistischen Leiters Maurice Thiriet mit ihren Redaktionsteams.»
Was machen die richtig?
Tarkan Özküp: «Fabien Feissli macht mit seinem Team unter Beratung von Maurice Thiriet ein journalistisches Vollprogramm aus der Suisse Romande für die Suisse Romande. Das kommt offensichtlich gut an, sonst hätten die den Traffic nicht innerhalb von zwei Jahren vervierfachen können.»
Aber Traffic allein macht ja keine schwarzen Zahlen, den Umsatz müssen Sie schon selbst machen?
Özküp: «Klar, die Romandie ist enorm wichtig für unseren Gesamtumsatz. Aber es greift alles ineinander. Die Chefredaktor*innen, die ein gutes Produkt machen, die Verkaufsleitenden, die es verstehen und vermarkten, und ein Team, das für die Marke brennt.»
… und was sonst noch?
Tarkan Özküp: «Ein wenig Humor, Leichtigkeit und Selbstironie. Ich schaue heute auf eine grosse Vielfalt von Verkäuferinnen und Verkäufern in allen Regionen. Ein Element vereint hier alle: Die Kunst, die richtigen Argumente für programmliche oder redaktionelle Inhalte vorzutragen. Wir müssen diese trainieren, wie ein hybrider Athlet, und den gedanklichen Fokus auf qualitative Inhalte legen, damit wir Antworten zu unserem Storytelling, Community Building und Social Media Tuning geben können. Dies sind die Ebenen, welche die Kundinnen und Kunden heute von uns erwarten. Das Geschäft ist komplexer, wesentlich schneller, aber auch vielschichtiger geworden. Ein gesunder Ehrgeiz, ein starker innerer Antrieb und die eingangs erwähnte natürliche Leichtigkeit helfen dabei, erfolgreich zu sein.»
Sie sind frisch aus den Sommerferien zurück. Welche der 80 Medienmarken von CH Media haben Sie auch in den Ferien konsumiert?
Özküp: «Als ausgesprochener Medienkonsument ist das dann auch einmal der Punkt, wo ich alles ausschalte und mich nur auf den Genuss 360° Ferien fokussiere.»