Die Gewerkschaft Syndicom und der Journalistenverband Impressum haben nach Ringier und Tamedia auch die NZZ angezeigt, weil sie die Arbeitszeiten ihrer Angestellten nicht erfasst. Stephanie Vonarburg, Zentralsekretärin bei Syndicom, nimmt gegenüber dem Klein Report Stellung.
Erst Ringier, dann Tamedia, jetzt den NZZ-Verlag. Wen zeigen Sie als Nächstes an?
Stephanie Vonarburg: «Das können wir noch nicht sagen. Wir haben noch niemanden vorgesehen. Aber wo die Arbeitsbedingungen nicht stimmen, schauen wir hin.»
Weshalb machen Sie das nicht in einer konzentrierten Aktion, sondern starten eine Kampagne?
Vonarburg: «Es kommen halt immer mehr Verfehlungen zum Vorschein. Nach den ersten Anzeigen meldeten sich Leute bei uns, die sich beschwerten, dass auch in ihrem Betrieb die gesetzlichen Bestimmungen, etwa bezüglich Arbeitszeiterfassung, nicht eingehalten werden. Das decken wir auf. Natürlich gehen wir auch aktiv auf Journalisten zu und fragen sie nach ihren Arbeitsbedingungen.»
Weshalb fixieren Sie sich auf die Erfassung der Arbeitszeit?
Vonarburg: «Eine korrekte Erfassung der Arbeitszeit ist kein Selbstzweck. Man muss genau wissen, wer wie viel arbeitet, damit man sehen kann, wo zu viel gearbeitet wird. Denn wer chronisch zu lange arbeitet, wird krank. Das muss natürlich verhindert werden. So sieht es ja auch das Gesetz vor.»
Bei Journalisten ist die genaue Erfassung der Arbeitszeit aber kaum möglich.
Vonarburg: «Das stimmt nicht. Klar sind viele Journalisten heute unterwegs. Doch da gibt es gute Apps fürs Smartphone oder fürs Tablet, die die Arbeitszeit ganz leicht erfassen. Im Zweifelsfall können die Journalisten ja auch selber überlegen, ob ein Gespräch schon eine Vorrecherche war und damit zur Arbeitszeit zählen soll, oder ob es bloss ein Gespräch aus persönlichem Interesse war.»
Im offenen Brief, den Sie dem NZZ-Verlag neben der Anzeige auch geschickt haben, schreiben Sie, Sie wollen mit dem Verlag «möglichst rasch ein partnerschaftliches Verhältnis aufbauen.» Ist eine Anzeige der richtige Weg dafür?
Vonarburg: «Man muss einen gewissen Druck aufbauen. Gerade die oberste Führungsebene in den Verlagen ist sich nicht bewusst, dass viele ihrer Journalisten zu viel arbeiten und somit ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.»
Wenn man sich bei Journalisten umhört, finden viele Ihr Vorgehen nicht richtig und haben wenig Verständnis für Ihr Vorgehen.
Vonarburg: «Es gibt kritische Rückmeldungen - aber genauso viele positive. Das ist halt ein Thema, das nicht alle gleich stark betrifft. Das hat teilweise mit dem Selbstverständnis der Journalisten zu tun, die glauben, Sie müssten rund um die Uhr verfügbar sein. Doch bei einigen schlägt das eben auf die Gesundheit - und übrigens auch auf die Qualität ihrer Arbeit.»
Was ist in einem Jahr noch von Ihrer Kampagne übrig?
Vonarburg: «Betriebe müssen gesetzeskonform werden - die Arbeitszeiten von Journalisten müssen also erfasst werden. Dann sieht man endlich, dass übermässig viel gearbeitet wird. Und dieses Problem wollen wir bis in einem Jahr gelöst haben. Wir hoffen natürlich auf eine Lösung mit einer Sozialpartnerschaft - und nicht auf einen Verbleib in den vorindustriellen Zuständen, die wir jetzt haben.»