«Die Digitalisierung stellt die Medienwelt auf den Kopf»: Von dieser Prämisse geht die Studie «Öffentlichkeit 4.0» aus, die das Dreigespann Karin Frick, Jakub Samochowiec und Detlef Grütler des Gottlieb Duttweiler Institute (GDI) im Auftrag der SRG geschrieben und am Dienstag veröffentlicht hat.
Die GDI-Zukunftsforscher sprechen von einem «Mehrfachwandel», der die Medien unter «multiplen Stress» setze. Die Herausforderungen, die sich dadurch auf technischer, inhaltlicher, organisatorischer und mentaler Ebene stellen, münzen sie auf die SRG. Vieles davon ist auch bei den privaten Medienhäusern in aller Munde.
So etwa die Veränderungen der Produktionsstrukturen, in denen Inhalte entstehen. In Zeiten, in denen der User nicht mehr nur Konsument ist, sondern auch mitdenkt und mitschreibt, sei es «unerlässlich, ihm die Mitarbeit zu ermöglichen». Nutzerpartizipation sei aktiv zu fördern, die SRG soll Projekte von Nutzern aufgreifen, was die GDI-Autoren sogar mit dem «direktdemokratischen Prinzip» in Zusammenhang bringen.
Auf organisatorischer Ebene fordert der digitale Wandel die Medienhäuser zu mehr Kooperation heraus, sowohl mit den Nutzern als Ko-Produzenten, wie auch mit anderen Anbietern. Innovation findet in Netzwerken statt, die Digitalisierung ruft nach strukturellen Reformen, um «die Silos traditioneller Unternehmensorganisation» zu hinterfragen. «Projektstruktur» passt für die GDI-Autoren besser zu den Eigendynamiken und zum Tempo des digitalen Wandels als die herkömmliche «Abteilungsorganisation».
Und nicht an letzter Stelle sei die Digitalisierung eine Frage der Einstellung. «Immer mehr von dem, was kommt, hat immer weniger mit dem zu tun, was ist und was wir als Gewohnheit lieb gewonnen haben.» Um die Chancen des neuen «Medien-Ökosystems» voll auszuschöpfen, sei Experimentierlust und Risikofreude angeraten. Die SRG könne sich eine dicke Scheibe von den jungen Anbietern der neuen Medien abschneiden. Die Studie rät dem öffentlich-rechtlichen Rundfunkhaus, einen «Experimentalmodus» einzuführen. Konkret: Freiräume für Projetkgruppen schaffen, technisch, inhaltlich, ökonomisch.
Gross schreibt die Studie die sozialpolitische Gefahr von sogenannten «Filter-Bubbles». Gemeint sind Plattformen wie Facebook oder Youtube, die von sich aus zur Monopolbildung tendieren: Je mehr Nutzer eine Plattform hat, desto attraktiver wird sie, was wiederum mehr Nutzer anlockt. Das könne den Meinungspluralismus gefährden und ein gesellschaftliches Auseinanderdriften begünstigen, «wenn Plattform-Algorithmen Individuen in separierte digitale Ralitäten versetzen». Die Öffentlich-rechtlichen können solche Filter-Bubbles «zerplatzen lassen», umschreiben die Autoren etwas pathetisch einen Aspekt von medialem Service public in digitaler Zeit.
In Bezug auf die Frontstellung der SRG zu privaten Wettbewerbern und den wettbewerbsrechtlichen Grenzen für Partnerschaften, rät die Studie zur «Plattformisierung»: «Auf einer Plattform können sowohl Konkurrenten als auch Konsumenten Netzwerk-Partner werden». Was das in Bezug auf das Werbekonglomerat Admeira konkret heissen könnte, bleibt offen.