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Mittwoch
09.03.2022

Vermarktung

«Zu viele Beispiele belegen leider inzwischen, dass viele Staatsunternehmen über die Stränge schlagen», sagte SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. (Bild Screenshot parlament.ch)

«Zu viele Beispiele belegen leider inzwischen, dass viele Staatsunternehmen über die Stränge schlagen», sagte SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. (Bild Screenshot parlament.ch)

Das Parlament will den «Einkaufstouren» von staatsnahen Betrieben einen Riegel schieben. Nach dem Ständerat hat am Mittwoch auch der Nationalrat zwei Motionen gegen den Widerstand der Ratslinken zugestimmt.

Mit den Übernahmen des Berner Werbevermarkters Livesystems AG oder des Luzerner Digitalisierungs-Services Klara Business AG hat die Post in letzter Zeit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Der Service-public-Anbieter geriet in die Kritik, sich zu einem Gemischtwarenladen zu entwickeln, der jenseits seines Gärtchens den privaten KMU das Terrain streitig mache, wie der Klein Report mehrfach berichtete.

Post-Chef Roberto Cirillo wiederum berief sich auf die Sachzwänge des digitalen Wandels, dem sich sein Unternehmen stellen müsse.

Das Thema ist seit Längerem bekannt und findet im Parlament von der Mitte bis rechts Unterstützung. Zum Beispiel beim FDP-Ständerat aus Appenzell-Ausserrhoden Andrea Caroni. Dieser lancierte schon vor bald zwei Jahren ein Motion: Private Unternehmen konkurrierten auf dem Markt mit Staatsunternehmen, die «oft längere Spiesse» hätten. Dazu zählt Caroni Vorteile bei der Finanzierung, der Besteuerung oder bei der Datennutzung. 

«Solche Wettbewerbsverzerrungen benachteiligen die privaten Unternehmen und schaden dem Wettbewerb und damit der Volkswirtschaft.» In die gleiche Stossrichtung wies eine Motion des Walliser Mitte-Ständerats Beat Rieder

Auf wenig Verständnis stiess das Anliegen beim Bundesrat. Dieser sieht zwar ein, «dass gewisse Wettbewerbsverzerrungen trotz aller bereits getroffener Governance- und rechtlicher Massnahmen weiterhin bestehen» blieben; jedoch seien diese Verzerrungen «untrennbar mit staatlicher Unternehmenstätigkeit verbunden». Es gebe für den Gesetzgeber «keinen Handlungsbedarf», schrieb der Bundesrat in seiner Antwort auf die beiden Motionen.

Der Gesetzgeber ist da anderer Meinung. Ohne langes Zaudern hat der Nationalrat die beiden Motionen am Dienstag durchgewunken, wie auch schon die kleine Kammer.

«Zu viele Beispiele belegen leider inzwischen, dass viele Staatsunternehmen über die Stränge schlagen», lancierte Thomas Burgherr die Ratsdebatte. Vor allem aber schoss der Aargauer SVP-Nationalrat gegen die Post, die in «sehr weitläufigen Bereichen» wie Digitalisierung, Werbung, Kommunikation, Administration, Gemeindeverwaltung, Gesundheit und Logistikdienstleistungen expandiere. «Da müssen wir jetzt schleunigst die Handbremse ziehen.» 

Regula Ritz plädierte für die Methode «gelebte Eigentümerverantwortung». Denn kein neues Gesetz könnte Missstände wie bei Postauto vereiteln. «Nur ein verantwortungsvoller Bundesrat, eine engagierte Verwaltung und eine effiziente Oberaufsicht des Parlamentes schaffen bei Bundesunternehmungen fairen Wettbewerb», sagte die Grünen-Politikerin. 

Von einer ideologieverblendeten «Zwängerei» sprach SP-Copräsident Céderic Wermuth. Statt «der Demokratie wettbewerbsrechtlich Schranken aufzuerlegen», solle man doch den öffentlichen Auftrag der Service-public-Anbieter ändern, wenn man deren Tätigkeit nicht möge.

Dass Post und Co. auch in umkämpften Märkten unterwegs seien, sei schliesslich der Wille des Gesetzgebers, betonte auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin

Trotz starker Gegenwehr von links, die vom bürgerlichen Lager kaum gekonntert wurde, überwiess der Nationalrat die beiden Motionen schliesslich mit deutlichem Mehr.