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Freitag
02.08.2024

Medien / Publizistik

Das «Bieler Tagblatt» entschied sich, das Interview dem Sänger und dessen Management samt Abbruch-Passage vorzulegen, um es dann abzudrucken… (Bild: © de.wikipedia.org)

Das «Bieler Tagblatt» entschied sich, das Interview dem Sänger und dessen Management samt Abbruch-Passage vorzulegen, um es dann abzudrucken… (Bild: © de.wikipedia.org)

ESC-Sieger Nemo will nicht mehr über Politik sprechen und stoppt ausgerechnet die Journalistin seiner Hauszeitung «Bieler Tagblatt».

Es ist ein wenig wie mit den Geistern, die der Zauberlehrling gerufen hatte – und nicht mehr los wurde. Doch in diesem Fall ist der Lehrling nicht eine Figur Goethes, sondern ein talentierter Sänger aus Biel.

Mit seinem Triumph beim Eurovision Song Contest hatte Nemo Mettler ganz Europa den Kopf verdreht – und die Botschaft von der grenzenlosen Freiheit durchs Land getragen.

Der politischen Message des nonbinären Barden waren keine Grenzen gesetzt: weg von Standards und vorgefassten Meinungen hin zur Freiheit und der absoluten Offenheit. Am Ende stand die politische Forderung nach der Einführung eines dritten Geschlechts (oder sogar des vierten?).

Doch nun scheint dem Sänger die ganze Sache über den Kopf zu wachsen. Wie der Zauberlehrling ist er von seinem eigenen Tun überfordert. Dies bekam nun ausgerechnet das «Bieler Tagblatt» zu spüren. Nemo (und sein Management) hatten der Hauszeitung zum ersten Mal seit dem Triumph in Malmö ein exklusives Interview gewährt – aber offenbar mit eng gesteckten Bedingungen.

Zunächst wurde der Journalistin fünf Minuten Gesprächszeit eingeräumt. Nach Intervention gab sich Nemos Management grosszügig und verlängerte auf 15 Minuten. Doch bereits nach wenigen Minuten brach der ESC-Star das Gespräch ab. Die Zeitung stellte politische Fragen – und das war deplatziert.

Der Hintergrund: Vor dem Interview deponierte Nemos Management folgende schriftliche Auflage: «Das Thema des Interviews soll die Musik sein. Bitte vermeidet jegliche politischen Fragen oder Fragen zu Nemos Privatleben.»

Die Zeitung allerdings wollte darauf nicht eintreten – und verwies auf das Medienrecht, das den Journalisten freie Fragestellung gewährt. Schliesslich lenkte Nemos Management ein.

Der Sänger selber aber hatte offenbar keine grosse Lust mehr, mit dem Tagblatt zu sprechen. Als die Journalistin den «politisch aufgeladenen ESC» ansprach, schritt Nemos Management ein und bat, die Frage nicht zu stellen. Die Journalistin reagierte gelassen. Nemo müsse die Frage nicht beantworten, sie wolle sie aber trotzdem stellen.

Darauf zeigte sich Nemo von seiner dünnhäutigen Seite: «Ich muss sagen, ich fühle mich bei dem ganzen Interview nicht wohl. Die Fragen fühlen sich an wie ein Angriff. Dass das von Biel kommt, macht mich sehr traurig, ehrlich gesagt.» Jede Frage fühle sich wie eine Provokation an. Und dann knallte Nemo die Tür zu: «Ich habe keine Lust, das Interview so weiterzuführen.»

Das «Bieler Tagblatt» blieb unbeeindruckt. Es entschied sich, das Interview dem Sänger und dessen Management samt Abbruch-Passage vorzulegen, um es dann abzudrucken.