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Montag
02.10.2023

Medien / Publizistik

Wenn das neue Framing der «Semitransparenz» in Bund und Kantonen Schule macht, bedeutet das nichts Gutes für Medienschaffende und Öffentlichkeit. (Bild © parlament.ch)

Wenn das neue Framing der «Semitransparenz» in Bund und Kantonen Schule macht, bedeutet das nichts Gutes für Medienschaffende und Öffentlichkeit. (Bild © parlament.ch)

Der Nationalrat hat sich am Donnerstag für eine teilweise Geheimhaltung der Medikamentenpreise ausgesprochen. Mit einem Kompromiss und der Wortschöpfung «semitransparent» versuchte er den Widerspruch zum Öffentlichkeitsgesetz zu glätten.

Dass der Bundesrat mit seinem Vorschlag das Transparenzgebot im Gesundheitsbereich teilweise ausser Kraft setzen wollte, war einer Mehrheit des Nationalrats nicht ganz geheuer. 

Und so kam es, dass dem von einer breiten Medien-Allianz heftig kritisierten Artikel 52c des Krankenversicherungsgesetzes ein Absatz hinzugefügt wurde. «Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) publiziert regelmässig einen von einer unabhängigen Stelle erarbeiteten Bericht über die Umsetzung der Preismodelle», lautet die Ergänzung.

Das Unwohlsein im Nationalratssaal spiegelte sich in einer sprachlichen Neuschöpfung: Die Parlamentsmehrheit nannte ihren Halbe-halbe-Vorschlag «semitransparent» – ein neues Wort unter der Bundeshauskuppel, das zumindest Google auf den Seiten des Parlaments bisher noch nicht finden konnte.

Ins Spiel gebracht wurde die Idee für eine Stelle, die den Vertretern von Pharma und Krankenkassen bei der Bepreisung von besonders teuren Medikamenten auf die Finger schaut, von der Gesundheitskommission.

Die «allermeisten Preismodelle» seien ohnehin «vollständig transparent», argumentiert der Mitte-Nationalrat Lorenz Hess in der Ratsdebatte. «Nur in einigen wenigen Fällen» könne ein Preismodell «semitransparent» sein. Und für diese Fälle gebe es nun also jene neu zu schaffende Stelle, «welche die Umsetzung von Preismodellen untersucht und die daraus resultierenden Gesamtersparnisse für das Gesundheitswesen aggregiert öffentlich macht». Das sei ein «sinnvoller Kompromiss».

Ein Minderheitsantrag der Grünen Manuela Weichelt verlangte indessen, die Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips im Krankenversicherungsgesetz gänzlich fallen zu lassen. Unumwunden bezeichnete die Antragsstellerin den strittigen Artikel 52c denn auch als «Krebsgeschwür» der Vorlage: Der Paragraph «ruft fast schon zur Korruption auf».

Konkret kritisierte die Grüne, dass «der Zugang zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit beziehungsweise, im Arzneimittelbereich, der beiden Preisbildungskriterien (Auslandspreisvergleich und therapeutischer Quervergleich) ausgeschlossen» werden würde. Das wirke aber nicht kostendämpfend, sondern im Gegenteil, die administrativen Kosten würden steigen.

«Die demokratische Kontrolle darf nicht ausgehebelt werden. Mit der Aushöhlung des Öffentlichkeitsprinzips wird ein Widerspruch zur Zweckbestimmung des Öffentlichkeitsgesetzes geschaffen», warf sich die Zuger Nationalrätin ins Zeug.

Sukkurs bekam sich von ihrer Parteikollegin Katharina Prelicz-Huber: «Es darf keine Legitimation und kein Powerplay der Chemie mit fast schon korrupten Methoden geben», plädierte die Zürcher Grüne für die Versenkung von Artikel 52c.

Und schob nach: «Geheim wollen sie die Verträge deshalb abschliessen, weil sie von anderen Kunden und Kundinnen dann wieder mehr Gewinn erwirtschaften können.»

Der grüne Furor blieb chancenlos. Der Antrag, die Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips im Gesundheitswesen abzublasen, wurde mit 110 gegen 78 Stimmen abgelehnt. 

Wenn das neue «Semivertraulichkeits»-Framing in Bund und Kantonen Schule macht, bedeutet das nichts Gutes für die gesetzlich garantierte Staatstransparenz, findet der Klein Report.