Wirtschaftsjournalist Eugen Stamm wechselt von der «Neuen Zürcher Zeitung» zum Risikokapital-Vermittler investiere.ch. Im Gespräch mit dem Klein Report erzählt er vom journalistischen Reiz, über Jungunternehmen zu berichten, und davon, warum es nicht reicht, «Kinder, streitet euch nicht» in den Erbvertrag zu schreiben.
Geld in Start-ups zu investieren ist riskanter, als es bei etablierten Unternehmen zu parkieren. Wie risikofreudig sind die Geldgeber derzeit, Startkapital bereitzustellen? Sehen Sie einen Trend?
Eugen Stamm: «In der Finanzwelt besteht ein Konsens darüber, dass das nächste Jahrzehnt für Investoren schwierig wird. Aktien von börsenkotierten Unternehmen und Obligationen haben geringe Renditeaussichten. Institutionelle Anleger suchen darum vermehrt nach Alternativen. Künftig wird darum in der Schweiz noch deutlich mehr Geld in Start-ups fliessen als die 1,2 Milliarden Franken von 2017 (Schätzung von investiere.ch). Neue Fonds werden in diesem Bereich lanciert und auch Pensionskassen werden das Thema für sich entdecken.»
Bei der NZZ haben Sie die letzten sechs Jahre über Geldanlage, Finanzplanung und börsenkotierte Firmen geschrieben. Jetzt werden Sie sich vermehrt mit Start-ups beschäftigen. Was reizt Sie als Wirtschaftsjournalist speziell daran?
Stamm: «Start-ups erzählen die interessantesten Wirtschaftsgeschichten. Sie zeigen uns ganz direkt, wohin sich die Welt entwickelt. Innovation ist für sie kein Schlagwort, sondern Daseinsberechtigung. Wenn man sich mit den Gründern trifft, dann lernt man Leute kennen, die in zehn oder zwanzig Jahren vielleicht an der Spitze der Wirtschaft stehen. Viele dieser Geschichten greift die Presse erst später auf...»
...und, können Sie uns ein Pionier-Beispiel verraten?
Stamm: «Zum Beispiel weiss ich, dass in den nächsten Tagen der erste ´Swiss Made`-Satellit von unserer Portfolio-Firma Astrocast ins All geschossen wird, und zwar auf einer Rakete der Firma Space X, die von Elon Musk gegründet wurde.»
Sie sprechen das Portfolio von investiere.ch an, wo Sie ab Dezember arbeiten werden. Wer steht hinter dem Portal, das Risikokapital an Start-ups vermittelt?
Stamm: «Die Firma ist privat gehalten, neben den Gründern Lukas Weber und Steffen Wagner sind eine Reihe von Business Angels und seit 2016 auch die Zürcher Kantonalbank beteiligt.»
Angenommen, ich lancierte ein Start-up: Was muss ich tun, damit ich bei investiere.ch Startkapital bekomme?
Stamm: «Die Investment Manager von Investiere.ch prüfen die Geschäftsmodelle von hunderten von Jungunternehmen, die attraktivsten darunter wählen sie aus. Diese Investitionsangebote werden dann auf der Online-Plattform publiziert, so dass sich qualifizierte private Anleger mit Summen ab 10`000 Franken beteiligen können.»
Können Sie etwas über das Investitionsvolumen sagen, das jährlich über die Plattform fliesst?
Stamm: «2017 hat investiere.ch rund 17,4 Millionen Franken vermittelt, fünfmal mehr als 2015.»
Und was wird Ihre Aufgabe als Wirtschaftsjournalist bei dem Kapitalvermittler konkret sein?
Stamm: «Ich werde Artikel und Interviews schreiben, die über die Chancen und Risiken unserer Portfolio-Unternehmen und das Thema Risikokapital informieren. Aber nicht nur die Start-ups sind spannend, auch unsere Investoren sind oft erfolgreiche Unternehmer, Verwaltungsräte oder Geschäftsleitungsmitglieder, die einen enorm grossen Erfahrungsschatz haben. Wir werden Interviews mit Gründern publizieren, die zeigen, wo ihre Herausforderungen liegen, und Interviews mit Investoren, die über ihre Erfahrungen sprechen. Von ihnen sollen Leute lernen können, die erst gerade begonnen haben, in Start-ups zu investieren.»
Zum Schluss noch zu ihrem Buch «Family Governance - Von Geld und Werten», das im Frühling im NZZ Libro Verlag erscheint und an dem Sie zusammen mit Jorge Frey vom Zürcher Marcuard Family Office schreiben. Darin geht es laut Untertitel um «ungeschriebene Gesetze für eine erfolgreiche Vermögensübergabe». Wie kam es zu dieser Buchidee?
Stamm: «Wir sagten uns, dass die Schweiz zwar ein herausragender Standort für Vermögensverwaltung ist, aber über emotionale Themen im Umgang mit Geld kaum diskutiert wird, wie das etwa in den USA der Fall ist. Dort haben ja bereits einige Vermögende öffentlich gesagt, sie wollen ihren Nachkommen nicht zu viel (!) Geld hinterlassen.»
Wie gelingt aus Ihrer Sicht denn eine Vermögensübergabe am besten?
Stamm: «Bei der Planung von Vermögenstransfers in der Familie beschränken sich viele Leute darauf, ein formal korrektes Testament oder einen Erbvertrag aufzusetzen. In der Praxis zeigt sich, dass aber oftmals ´weiche` Themen entscheidend dafür sind, ob die Vermögensübergabe gelingt oder in einem Streit endet. ´Kinder, vertragt euch` in ein Testament zu schreiben, genügt nicht...»
...Erbstreitigkeiten, klar. Welche anderen emotionalen Klippen gibt es?
Stamm: «Viele Vermögende haben zum Beispiel Angst davor, dass die nächste Generation durch die Aussicht auf ein grosses Erbe ihre Motivation verlieren könnte. Manche Beispiele zeigen auch, dass ein Vermögen für die Erben eben nicht ein Glücksfall ist, sondern sie mit Schuldgefühlen belasten kann. Sie sagen sich, sie hätten das Geld nicht verdient. Wir wollen mit unserem Buch vermögende Familien und ihre Berater animieren, darüber zu diskutieren, welche Werte ihnen im Umgang mit Geld wichtig sind.»