Mit scharfem Geschütz hat «Edito» gegen «24 heures» gefeuert: Die Redaktion in Lausanne betreibe staatsnahen Gefälligkeitsjournalismus. Ausgerechnet die pressejournalistische Zeitschrift wird vom Presserat nun zurückgepfiffen.
In seiner Juni-Ausgabe veröffentlichte «Edito» einen Artikel über die Berichterstattung von «24 heures» zur Affäre um Pascal Broulis, dem Waadtländer Staatsrat und Finanzminister, der in seiner Heimatgemeinde Sainte Croix Steuern zahlte, jedoch in Lausanne wohnte.
Der Fall war vom Romandie-Korrespondenten des «Tages-Anzeiger» Philippe Reichen und nicht von «24 heures» aufgedeckt worden. Der umstrittene «Edito»-Artikel von Jean-Luc Wenger war überschrieben mit «Quand l'info vaudoise venait de Zurich».
Wenger warf der Lausanner Tamedia-Zeitung vor, damals so regierungsnah gewesen zu sein, dass es ihr an kritischem Denken fehlte: «Die Tageszeitung war fast zum Organ des Staatsrats geworden. Der redaktionelle Inhalt spielte keine Rolle, es war in erster Linie eine Geldpumpe», weshalb es bei «24 heures» «niemand für nötig gehalten habe, zu recherchieren», so die deftige Kritik des Medienmagazins.
Der Artikel in «Edito» deutet auch an, dass der ehemalige Chefredaktor Thierry Meyer «seine Redaktion nicht immer gegen politische oder wirtschaftliche Interessen verteidigt» habe. Und er behauptet, «24 heures» habe dem Finanzdepartement von Pascal Broulis kurz vor einer Abstimmung eine Zeitungsbeilage «offeriert»; tatsächlich war diese Beilage bezahlt worden.
Gemäss der ausführlichen Stellungnahme des Presserats werden diese Behauptungen von keiner Quelle bestätigt. Das Aufsichtsgremium sieht es als erwiesen an, dass «Edito» daher die Wahrheitspflicht verletzt hat.
Und auch beim Umgang mit den Quellen hat das Medienmagazin aus Sicht des Presserats kein gutes Beispiel abgegeben. Dort, wo im «Edito»-Artikel Quellen genannt werden, wurden diese anonymisiert.
Anonyme Quellen zu zitieren ist im Sinne des Journalistenkodexes bekanntlich immer dann zulässig, wenn gute Gründe vorliegen, die Quellen zu schützen, etwa dann, wenn die Informanten bei einer namentlichen Nennung ernsthafte berufliche Nachteile befürchten müssten.
Für die Story über «24 heures» hat der «Edito»-Autor aber zu leichtfertig zur Anonymisierung gegriffen. Im Interesse der Leser und Leserinnen wäre es durchaus möglich gewesen, «Quellen ausserhalb des engen Kreises der Redaktion, welche allesamt identifizierbar gewesen wären, zu finden», schreibt der Presserat in seiner Stellungnahme.
Und auch gegen eine dritte Bestimmung des Journalistenkodex hat «Edito» verstossen: «Der Vorwurf der Gefälligkeit stellt die berufliche Integrität einer Redaktion ernsthaft in Frage», so der Presserat. Das Medienmagazin hätte die Betroffenen anhören müssen, bevor es diese schweren Vorwürfe veröffentlichte.
Immerhin hat «Edito» nach der Veröffentlichung dem ehemaligen und dem aktuellen «24 heures»-Chefredaktor umgehend angeboten, ihren Standpunkt in längerer Form als üblich zu veröffentlichen.
Das sei zwar löblich, aber dennoch zu spät, findet der Presserat. Die Pflicht zur Anhörung bei schweren Vorwürfen hat «Edito» verletzt.