Content:

Freitag
21.04.2023

Medien / Publizistik

Die russische Botschaft in Bern. Aktuell herrscht eine winterliche  Stimmung vor, symbolisch zu interpretieren als kalter Krieg...     (Bild: Screenshot Webseite Botschaft)

Die russische Botschaft in Bern. Aktuell herrscht eine winterliche Stimmung vor, symbolisch zu interpretieren als kalter Krieg... (Bild: Screenshot Webseite Botschaft)

Am 7. April hat die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) über den ukrainischen Widerstand gegen die Besatzer berichtet. Im Artikel war zu lesen, dass zu den «relativ friedlichen Guerilla-Aktionen» auch gehört, dass Frauen aus der Stadt «mit Abführmitteln gestrecktes Gebäck» an russische Soldaten verteilten.

Diese Story hat inzwischen nicht nur bei den Soldaten ihre Wirkung gezeigt, sondern auf diplomatischer Ebene auch in Bern zu einem handfesten politischen Wirbel geführt. Die russische Botschaft droht dem Journalisten, dass er mit Haft von fünf bis sieben Jahren rechnen müsse, sollte er das nächste Mal nach Russland einreisen.

Ivo Mijnssen ist NZZ-Korrespondent in Wien und berichtete für die Schweizer Zeitung aus der Ukraine, Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei. In dem von der russischen Botschaft gerügten Artikel würde der Autor «die lächerlichsten Erfindungen und Gerüchte übernehmen, die das Kiewer Regime und seine Handlanger verbreiten», heisst es seitens der Botschaft.

Im Bundeshaus in Bern hat man auf die Drohung der diplomatischen Vertretung aus Moskau reagiert. Am Mittwochabend bezeichnete das Aussendepartement EDA das Vorgehen der russischen Botschaft auf Twitter als «inakzeptabel».

Auch für Bundesrat Ignazio Cassis, den Vorsteher des EDA, sind die öffentlichen Drohungen «inakzeptabel». Es will dem russischen Botschafter «unmissverständlich mitteilen, dass die Informations- und Medienfreiheit in der Schweizer Bundesverfassung garantiert ist».

Ob dazu der Botschafter einbestellt werde oder ob das in schriftlicher Form passiere, das sei noch offen.

Die Drohung gegen Mijnssen ist nicht der erste Angriff der russischen Botschaft in Bern auf die NZZ. Bereits im Juli drohte sie der Schweizer Zeitung mit einer Klage. Damals gab eine Karikatur, die Putin als Clown darstellte, Anlass für Kritik. Der Artikel und das Bild seien «verleumderisch und beleidigend».

Dazu gab es auch kurz vor dem Bericht über das Abführmittel eine weitere Intervention bei der NZZ. Wie auf der Webseite der russischen Botschaft nachzulesen ist, schrieb die Botschaft am 6. April einen Brief an Chefredaktor Eric Gujer.

Unter der Anrede «Sehr geehrter Herr Chefredaktor» kam man sofort zur Sache, dass «offensichtliche Inkompetenz, gepaart mit bewusster Tatsachenverdrehung» leider zur «Visitenkarte» einiger Journalisten der NZZ geworden sei, «die sich auf russische und postsowjetische Themen spezialisieren».

Auch von anderen Schweizer Zeitungen wie zum Beispiel dem «Tages-Anzeiger» hält man in der russischen Botschaft in Bern sehr wenig. Die regelmässige Kritik in den sozialen Medien hat den Tenor: Die Schweizer Medien haben keine Ahnung. Und sie sind Teil der westlichen Propaganda.

Ein derart gespanntes Verhältnis geht an der Botschaft in Bern nicht spurlos vorbei. Das hat auch Folgen für die Kantonspolizei Bern. Denn sie ist zuständig für den Schutz der Botschaften in Bern. Doch nun stosse sie beim Schutz der Vertretung Russlands an ihre Grenzen, berichtet die «Berner Zeitung».

Sie habe Aufgaben des Botschaftsschutzes im Umfang von knapp 350’000 Franken bis Ende Jahr direkt an die Sicherheitsfirma Protectas AG vergeben. Nun wird sogar der Einsatz der Armee ins Auge gefasst. Noch wird dieser Antrag aber beim Bund geprüft. Es wäre eine neue Eskalation.