Sei es bei den Experten, den Showmastern oder sogar bei den Figuren in Kindersendungen: Die Vormachtstellung der Männer im Fernsehen hält sich zäh. Eine neue Studie der Stiftung von Maria und Elisabeth Furtwängler hat den Gendergap unters Mikroskop genommen.
2017 hatte eine erste Studie zu «Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland» bereits eine «drastische Schieflage» konstatiert. Frauen kamen deutlich seltener vor als Männer, traten meist in klischeehaften Rollen auf, kamen nur selten als Expertinnen zu Wort und verschwanden nach dem 30. Lebensjahr sukzessive vom Bildschirm.
Gemeinsam mit ARD, ZDF, ProSiebenSat.1, RTL und verschiedenen Filmförderorganisationen hat die Stiftung der Burda-Mitbesitzerin und «Tatort»-Kommissarin Maria Furtwängler nun vom Institut für Medienforschung der Uni Rostock untersuchen lassen, was sich in den vier Jahren seither getan hat.
Hauptergebnis: Auf eine Frau kommen im deutschen TV nach wie vor rund zwei Männer. Insgesamt liegt die Geschlechterverteilung über alle TV-Vollprogramme und Genres hinweg bei 66 zu 34 Prozent.
Eine minime Verschiebung: Vor vier Jahren kamen auf 67 Prozent Männer 33 Prozent Frauen.
Hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit gibt es jedoch auch positive Entwicklungen zu vermelden: In den fiktionalen Produktionen, die im Jahr 2020 hergestellt wurden, war das Geschlechterverhältnis nahezu ausgewogen. 53 Prozent der Protagonistenrollen wurden männlich besetzt, 47 Prozent weiblich.
Im Vergleich zu 2016 wurde zudem auch der Altersgap in den fiktionalen TV-Produktionen insgesamt kleiner. Vor allem in der Altersgruppe zwischen 50 und 59 war ein Anstieg des Frauenanteils bemerkbar.
Und in den Informationsformaten erklärten Männer nicht mehr allein die Welt. Moderation und journalistische Funktionen nähern sich einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis an. Als «Erklärstimmen» sind Männer mit 72 Prozent jedoch nach wie vor deutlich in der Überzahl.
Und gerade hier ortet die neue Studie auch Handlungsbedarf, den man auch aus anderen Studien und von anderen Sendern kennt: «Männer kommen immer noch am häufigsten als Experten zu Wort – auch in Berufsfeldern, in denen überwiegend Frauen arbeiten.» Insgesamt seien 74 Prozent der Experten und Expertinnen in Informationsformaten im deutschen TV männlich.
Interessant an der Studie ist speziell auch, dass sie die Genderverhältnisse nach TV-Genre aufschlüsselt. Eine weniger beachtete Disbalance sind nämlich die Shows und Quizshows: Männer führen hier mit 87 Prozent fast allein durchs Programm.
Und auch im schrillen Genre der Comedy-, Late-Night- und Satiresendungen werfen sich mit 77 Prozent vor allem Männer in Schale. Ähnlich unausgewogen sieht es bei den Tiersendungen aus.
Auch das Kinderfernsehen hat die Studie unter die Lupe genommen. Bei den fiktionalen deutschen Produktionen des Jahres 2020 ist der Anteil weiblicher Protagonisten auf 44 Prozent gestiegen, was einem Plus von 10 Prozent entspricht.
Ganz anders jedoch sieht es bei den Fantasie- und Tierfiguren aus: «82 Prozent der Tierfiguren sind männlich, bei pflanzlichen Figuren und Objekten sind es 95 und bei Robotern und Maschinen 77 Prozent», heisst es in der Studie zu dieser wenig beachteten Facette des Genderaps.
Die Studie hat sich auch die sexuelle Orientierung vorgenommen. In den fiktionalen TV-Produktionen sind nur rund 2 Prozent der Protagonisten und Protagonistinnen als homosexuell oder bisexuell lesbar, sprich 24 von 1329 Figuren. Rund 70 Prozent waren als heterosexuell erkennbar, bei rund 27 Prozent war die sexuelle Orientierung nicht erkennbar.
Zum Vergleich: Laut einer Studie von Ipsos von 2021 ordnen sich rund 11 Prozent der Deutschen als nicht heterosexuell ein.
Ähnlich unausgewogen sieht es bei Menschen mit Migrationshintergrund aus: Während 26 Prozent der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund haben, kann er in den TV-Programmen nur 11 Prozent der Protagonisten und Hauptakteurinnen zugeschrieben werden.
Schwarze Menschen und People of Colour sind ebenfalls unterrepräsentiert: Während sie schätzungsweise rund 10 Prozent der Bevölkerung stellen, besetzen sie nur rund 5 Prozent der TV-Rollen.
Noch krasser ist die Unsichtbarkeit bei Menschen mit Behinderung. In der Bevölkerung Deutschlands haben schätzungsweise rund 6 Prozent eine sichtbar schwere Behinderung. In den untersuchten Programmen traf dies jedoch nur auf 0,4 Prozent der Protagonisten und Protagonistinnen zu.