Die Schweizer Literaturszene trauert um einen Grossen. Mit 87 Jahren ist Peter von Matt in Zürich gestorben.
Die «Neue Zürcher Zeitung» bezeichnet ihn als «Erotiker des Lesens» – und meint dies sehr respektvoll. Es habe von Matt immer dorthin gezogen, wo es wild wurde, wo das Wüste sich regte, wo das «Allzumenschliche» lärmend und tumultuös in die Sphären der Kunst eindrang.
Peter von Matt verstand es wie kaum ein Zweiter, die gesellschaftliche Düsternis in leichte, süffige Worte zu verpacken.
1937 geboren und in Stans aufgewachsen, kam er früh mit den Bergen wie mit Büchern in Kontakt. Die Berge standen majestätisch vor der Haustür, in den Häusern drinnen waren in seiner Familie zahlreiche bücheraffine Menschen präsent – als Buchdrucker, Verleger oder Antiquare.
In Zürich studierte er später Germanistik und promovierte bei Emil Staiger, dessen Assistent er wurde und dessen Lehrstuhl er 1976 übernahm.
Wenn der verstorbene Grosskritiker Marcel Reich-Ranicki von Peter von Matt behauptete, er sei der beste Schriftsteller der Schweiz, dann mochte dies ein kleiner Seitenhieb gegenüber einer schwächelnden Literaturszene gewesen sein.
Falsch aber war die Feststellung nicht, auch wenn sich Peter von Matt nie als Schriftsteller bezeichnet hätte. Aber immerhin hatte er 2012 als bis heute einziger Autor für ein essayistisches Werk («Das Kalb vor der Gotthardpost») den Schweizer Buchpreis gewonnen.
Von Matt war auch überzeugter Europäer. Und er war einer, der seinen Landsleuten lautstark ins Gewissen reden konnte. Doch er verband immer einen kokettierenden Zwiespalt mit dem geschriebenen Wort – zumindest vordergründig.
Das Schreiben sei eine Quälerei gewesen, sagte er vor seinem 80. Geburtstag. «Der Schreibtisch ist eine Folterbank». Doch von Matt stellte sich diesem Martyrium mit beeindruckender Leidenschaft entgegen – und er fand immer eine klare Ausdrucksform.
Gerade dafür bringt der «Tages Anzeiger» höchste Achtung auf: «Niemand konnte Literatur so gut erklären, vermeintlich tote oder zu Tode interpretierte Texte zu neuem Leben erwecken, ihnen ihr Geheimnis entreissen, ohne sie dabei zu zerstören».
Und auch die «Neue Zürcher Zeitung» verneigt sich – auch vor dem Trivialen: Allein an den Buchtiteln habe man leicht erkennen können, dass sich von Matt lieber mit Bösewichten und Unglücksraben als mit Schöngeistern und Glückskindern herumgeschlagen habe.
Nun ist von Matt selber ins Reich der Toten übergetreten. Wie seine Familie der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mitteilte, starb der Intellektuelle und gefragte Festredner am Montag nach langer Krankheit in Zürich.
Die Schweiz trauert um einen grandiosen Literaten. Und um einen scharfen Beobachter der Gesellschaft. Und um eine grosse Persönlichkeit.