Letztes Jahr jubelte das Onlinemagazin Tsüri: «Seit Anfang Juni fährt unser Tram über die Gleise von Zürich. Damit geht für uns ein kleiner Traum in Erfüllung, denn wer ein Tram mit seinem Logo bekleben kann, hat es weit gebracht!»
Seit bald zehn Jahren gibt es Tsüri. Die Eigenwahrnehmung des Lokalmagazins ist nicht unbescheiden. Man sei immer kritisch und unabhängig, recherchiere professionell und sei für die Demokratie essentiell. Weniger prosaisch könnte man die Leistungen als Verlautbarungsorgan der Zürcher Stadtregierung zusammenfassen.
Zu den Werbekunden des hippen Magazins von Gründer Simon Jacoby zählen: Das Schauspielhaus Zürich, die ZKB, das ewz, die Stadt Zürich, Energie360 und die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). Verständlich, dass man keinen kritischen, unabhängigen und gut recherchierten Artikel findet, der sich gegen die Stadtregierung auflehnt.
Auch dieses Jahr kurvt ein VBZ-Tram mit Tsüri-Werbung durch die Stadt. Der Deal geht folgendermassen: Tsüri muss der VBZ nichts bezahlen, schreibt dafür Promotexte für die Verkehrsbetriebe.
Für das kleine und unabhängige Magazin an der Zürcher Glasmalergasse im Kreis 4 ein Volltreffer: Normalerweise kostet eine dreimonatige Dachwerbung 15’500 Franken, hinzu kommen Produktionskosten in unbekannter Höhe.
Der Klein Report wollte vom Magazin Tsüri und von der VBZ wissen, welche Promotexte geschrieben werden. Von Tsüri gab niemand eine Antwort, die VBZ antwortete schmallippig: Die VBZ haben mit tsüri.ch einen Vertrag abgeschlossen. «(Der) Inhalt ist – wie bei all unseren Werbeverträgen – grundsätzlich vertraulich.»
Wenn es sich um einen Deal zwischen einem Medium und einem städtischen Betrieb handelt, sieht die Sache etwas anders aus, fand der Klein Report. Er erinnerte den zuständigen Stadtrat Michael Baumer an das Öffentlichkeitsgesetz. Dieses gewährt ungehinderten Zugang zu amtlichen Informationen.
Das VBZ lenkte ein und legte offen, was der Klein Report verlangte. Nämlich ein paar Beispiele der Zusammenarbeit zwischen Tsüri und der VBZ: Es sind zwei Instagram-Storys und zwei Auftritte im sogenannten «Tipp des Tages» im Newsletter «Züri Briefing».
Man zähle 15'500 Abonnenten, schreibt Tsüri. Unabhängig überprüfen lassen sich solche Angaben nicht. Seltsam ist aber, dass die Vermittlung jedes weiteren Abonnenten entschädigt wird.
Mit 15'500 Leserinnen und Leser lassen sich gute Verkaufspreise verhandeln. Ein «Tipp des Tages» kostet zum Beispiel 1'500 Franken. Der Tipp steht am Ende des Newsletters.
Gegen Werbung ist nichts zu sagen. Der Klein Report rät dem jungen Magazin zur Streichung falscher Adjektive (unabhängig, kritisch, professionell) und zu etwas Mut in der Berichterstattung.