Nach 34 Jahren ist die beliebte Serie «Lindenstrasse» von der ARD eingestellt worden. «Aeschbacher» auf SRF nicht unähnlich, konnte wie die «Lindenstrasse» auf ein treues und beständiges TV-Stammpublikum zählen.
Dieses wurde mit der Absetzung der beliebten Sendungen völlig vor den Kopf gestossen. Was dies für die öffentlich-rechtlichen Sender im deutschsprachigen Raum bedeuten könnte, kommentiert für den Klein Report die Medienexpertin Regula Stämpfli.
Die Jungen schauen kein Fernsehen, falls sie überhaupt öffentlich-rechtlich unterwegs sind: Es wird gestreamt. Die Ü60 sind den öffentlich-rechtlichen zwar noch treu, geniessen aber als Werbepublikum, ausser für Pharmaprodukte, werbemässig einen eher schlechten Ruf.
Punkto Quoten und Werbung stecken die öffentlich-rechtlichen Sender also vor einem Dilemma: Bedienen sie einerseits ihre treusten «Kundinnen», verlieren sie - wie alle anderen - noch mehr Werbegelder und sind nicht mehr «mediensexy». Vergällen sie ihr Stammpublikum, stossen sie auch ihre grössten politischen Unterstützer vor den Kopf.
Resultat dieses Dilemmas ist ein teilweise unappetitlicher Mix zwischen verblödeten Online- und Jugendauftritten und national-spektakulär rückwärtsgewandter Seniorenunterhaltung.
Im Online-Bereich unterscheidet sich beispielsweise SRF (besonders an Sonntagen) in keiner Weise vom Online-Auftritt der Gratiszeitung «20 Minuten». Während ARD und ZDF gut übersichtlich und geschickt die eigenen Sendungen bewerben und so beim jüngeren Publikum auch Interesse für Politik wecken, setzt SRF-Online auf ein eigenes «Sex sells»-, Sport- und Seichtunterhaltungs-Programm, statt die eigenen Produktionen in den Vordergrund zu rücken.
Was sich dann öffentlich-rechtliche Mitarbeiter unter «guter» Unterhaltung für Senioren vorstellen, gleicht antidemokratischen Horrorfilmen: Selbstjustiz in Krimis, Sexismus und Landfrauen-Kitsch überall, Talk-Runden mit Themen, die direkt aus den Parteibüchern der SVP und der AfD stammen könnten.
Selbstverständlich gibt es löbliche Ausnahmen dieser Regel wie «Club» oder «Sternstunde» auf SRF und beim ZDF «Markus Lanz». Ausserdem sind alle Radiostationen der öffentlich-rechtlichen punkto breite Themenauswahl, bunte Gästeliste und spannende Zeitdokus nicht zu toppen - doch beim Fernsehen, insbesondere beim SRF? Da dominieren alltagspornografische Jugendvulgarisierung und antidemokratische «Alten-Nationalisierung».
Was tun? Als Erstes müssen die Senderverantwortlichen aufhören, ihr Publikum nach einem veralteten Jahrgangs-, Kilo- und Werbeschlüssel zu kategorisieren und ständig zu unterschätzen. Die Menschen, junge, alte, bunte, einfarbige et cetera sind unendlich viel besser als ihr Fernsehruf.
Gute Qualität, intelligente neue Politformate, demokratische Sendegefässe, die sich schon längst vom Schema «Frau fragt, Mann antwortet» verabschiedet haben, zahlen sich in jeder Hinsicht aus: Ein Blick ins Netz genügt.
Gleichzeitig gilt es in den öffentlich-rechtlichen Sendern wie in der Demokratie, zunächst einmal das zu bewahren, was eigentlich ganz gut läuft: Beispielsweise eben die «Lindenstrasse» oder «Aeschbacher». Denn hier zählt nicht einfach die Quote, sondern die Bindung einer Stammkundschaft, die, ist sie einmal weggefallen, das ganze System von Öffentlich-Rechtlich ins Wackeln bringen könnte.