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Mittwoch
12.02.2020

Medien / Publizistik

Export-Verbot für Zuger Firma...

Export-Verbot für Zuger Firma...

Mit einer gemeinsamen Recherche haben ZDF, «Washington Post» und die SRF-«Rundschau» eine gross angelegte Geheimdienst-Operation enthüllt. Im Zentrum stehen die CIA, der BND und eine Zuger Firma Crypto AG. Der Bundesrat hat einen Export-Stopp verhängt und eine Untersuchung eingeleitet.

Vor zwei Jahren seien dem ZDF «Hunderte von Seiten» zugespielt worden, Dokumente, die von «unmittelbar Beteiligten» des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) und der CIA erstellt worden waren, berichtete der öffentliche Sender am Dienstag.

Aus den brisanten Dokumenten geht hervor: CIA und BND hörten mit manipulierten Verschlüsselungsgeräten der Zuger Firma Crypto über Jahrzehnte mehr als 100 Staaten ab. Hunderttausende geheime Nachrichten zwischen Regierungsstellen, Botschaften oder Militärs wurden systematisch abgefangen.

Eingefädelt wurde die Operation «Rubikon» 1970. Damals kauften der westdeutsche und der US-amerikanische Geheimdienst die Firma Crypto AG, verschleiert über eine Stiftung in Liechtenstein und unter Mitwirkung des Münchner Siemens-Konzerns. Die Firma war damals Marktführerin für Chiffrier-Maschinen.

Bruno von Ah, ein ehemaliger Crypto-Mitarbeiter, sagte gegenüber der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens (SRF): «Irgendwann merkten mein Vorgesetzter und ich, dass die Geräte eine Hintertür haben.» Die Crypto AG hat über Jahrzehnte sichere und knackbare Verschlüsselungsgeräte verkauft; die sichere Variante bekamen nur wenige Länder, unter anderem die Schweiz.

Die gezinkten Geräte dagegen wurden weltweit an Staaten auf allen Kontinenten verkauft, unter anderem an Saudi-Arabien, Argentinien oder den Iran, aber auch an Verbündete wie Italien, Spanien oder den Nato-Partner Türkei. Im Kalten Krieg zog das Verkaufsargument besonders gut, dass die Firma von der Schweiz aus operierte, die als neutral galt und einen guten Ruf hatte wegen ihrer Uhren und Präzisionsinstrumente.

«Über hundert Staaten zahlten Milliarden Dollar dafür, dass ihnen ihre Staatsgeheimnisse gestohlen wurden, das war schon ziemlich dreist», sagte Politologie-Professor Richard Aldrich über die Spionage-Operation, nachdem ihm das ZDF Einblick in die Dokumente gegeben hat.

Aldrich, der an der Uni Warwick über Sicherheitspolitik und Geheimdienste forscht, bezeichnete den Coup als «wahrscheinlich die wichtigste Spionage-Operation, die je unternommen wurde».

Weil sie die Länder abhören konnten, hatten vor allem die USA einen grossen Vorteil bei Verhandlungen oder bei der Kriegsführung, zum Beispiel bei den Camp-David-Verhandlungen 1979, bei den Verhandlungen über die amerikanischen Geiseln im Iran 1981 und bei der US-Invasion in Panama 1989.

Gemäss den Recherchen, die ZDF, «Washington Post» und SRF unter dem Tag «Cryptoleaks» veröffentlicht haben, wussten der BND und die CIA zum Beispiel auch über die blutige Repression der argentinischen Militärjunta Bescheid, der in den 1970er Jahren mehr als 30‘000 Regimegegner zum Opfer fielen.

CIA und BND verdienten über die Verkäufe der Crypto-Geräte Millionen, ohne Wissen des Parlaments. Die Gewinne des BND flossen laut ZDF verdeckt in schwarze Kassen.

Unter der Regierung von Helmut Kohl entschied der BND 1993 aus der Operation auszusteigen, laut ZDF aus Angst aufzufliegen. Die CIA blieb dagegen in der Firma und hat diese Operation noch bis mindestens 2018 weitergeführt.

Die Schweizer Geheimdienste waren in die Operation der CIA und des BND eingeweiht, wie die Dokumente gemäss SRF belegen: «Die Bundespolizei hat den militärischen Nachrichtendienst kontaktiert. Hohe Beamte der Organisation hatten generell Kenntnis von der Rolle Deutschlands und der USA im Zusammenhang mit der Crypto AG und trugen dazu bei, diese Beziehung zu schützen.» 

Damals mutmasslich Involvierte wollten gegenüber der «Rundschau» keine Stellung nehmen oder aber sie sagten aus, sie hätten keine Kenntnis von der Operation gehabt. Es gibt auch Hinweise, dass «Schlüsselpersonen in der Regierung» von der Operation wussten.

2018 spaltete sich die Crypto AG auf in einen Schweizer Teil mit dem neuen Namen CyOne Security sowie einen internationalen Teil, die Crypto International. Beide Firmen versicherten gegenüber der «Rundschau», dass es heute keinerlei Verbindungen gebe zur CIA oder dem BND.

Dennoch liess sich Wirtschaftsminister Guy Parmelin offenbar von den Recherchen aufschrecken: Mitte Dezember entschied er, die Ausfuhrbewilligung der Firma Crypto International zu sistieren. Und der Gesamtbundesrat hat Ex-Bundesrichter Nicklaus Oberholzer am 15. Januar damit beauftragt, «das Thema zu untersuchen und die Faktenlage zu klären».

Sein Bericht wird im Verteidigungsdepartement Ende Juni erwartet.