Im Fernsehstudio war die Ausgangslage eigentümlich: In der Diskussionsendung «Club» vom 13. Februar sollte auf SRF-Geheiss eine für die SVP politisierende Berner Winzerin mit zwei im Büro arbeitenden Politikerinnen von SP und GLP sowie dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes, einem Gewerkschaftsfunktionär und dem 34-jährigen Initianten der Renteninitiative darüber diskutieren, wie sich eine Erhöhung des Rentenalters auf die körperliche Arbeit auf den Schweizer Baustellen auswirkt.
Obwohl für die Diskussion über diesen Themenpunkt rund zehn Minuten eingeplant waren, wurde kein Bau- oder Handwerksvertreter eingeladen oder zumindest zugeschaltet. Barbara Lüthi, Redaktionsleiterin und Moderatorin des «Club», zeigt sich gegenüber dem Klein Report überraschend selbstkritisch: «In einer Sendung kurz vor der Abstimmung, hätten wir betroffene Personen mit beiden Perspektiven in der Runde haben müssen. Für viele dieser Personen kam aber eine Teilnahme an der Diskussion nicht in Frage, weil die technischen Details der Initiative ein grosser Bestandteil der Diskussion waren», so Lüthi. Einige angefragte Personen hätten sich zudem auch nicht klar einer Pro- oder einer Kontra-Seite zuordnen wollen.
Zugleich betont Barbara Lüthi aber, dass die Redaktion im Vorfeld der Sendung mit sehr vielen Menschen gesprochen habe, «so unter anderem auch mit mehreren Leuten, die in handwerklichen Berufen arbeiten oder gearbeitet haben, sowie mit mehreren Personen, die freiwillig gerne länger über das Pensionsalter hinaus arbeiten».
Die «Club»-Redaktion hat sich schlussendlich entschieden, eine Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern der Pro- und Kontra-Komitees zu führen. «Während der Sendung haben wir zwei Statements von betroffenen Personen eingespielt. Zudem haben wir im Anschluss an die Sendung einen Online-Artikel verfasst, in dem betroffene Personen zu Wort kommen – darin sind beide Perspektiven abgebildet», ordnet Barbara Lüthi ein.
Doch ausgerechnet jene Begleitberichterstattung in den Onlinemedien hat im Nachgang für mehr Aufregung gesorgt als die eigentliche Diskussion im Fernsehstudio. Denn eine Woche später ist am 20. Februar sowohl auf dem Facebook-, als auch auf dem X-Account der SRF-Newsredaktion ein 85-Sekunden-Clip der «Club»-Diskussion aufgetaucht. Diese wurde nun auf einen verbalen Zweikampf des Vertreters des Arbeitgeberverbands mit dem Gewerkschaftsfunktionär zugespitzt – alle drei Parlamentarierinnen wurden ungalant aus der Onlineversion der Diskussion wegretuschiert.
Auch darauf hat der Klein Report Barbara Lüthi angesprochen. «In besagtem Social-Media-Video wurde die Diskussion zwischen Gewerkschaftsvertreter und dem Präsidenten des Arbeitnehmerverbandes abgebildet. Dabei ging es um die Frage, ob hart arbeitende Menschen nun auch länger arbeiten müssen und falls ja, wie?»
Mindestens so fragwürdig: Weggelassen wurde ebenfalls der in der «Club»-Sendung eingeblendete Faktencheck des Baumeisterverbands, was denn bei einem Volks-Ja zur Renteninitiative auf Schweizer Baustellen eigentlich gelten wird. Wer den Kurzclip sieht, muss entweder selber googlen oder schaltet sein Smartphone mit der falschen Annahme auf stumm, dass nach dem Abstimmungssonntag Rentenalter 66 gilt auf dem Bau.
Dabei wurde im Fernsehstudio klar gestellt: «Bei Annahme der Renteninitiative ist der flexible Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe neu ab 2033 erst ab 61 Jahren statt ab 60 Jahren möglich. Falls das Rentenalter mittel- bis langfristig um mehr als 1 Jahr ansteigt, steigt auch das FAR-Eintrittsalter entsprechend.»
Gemäss Barbara Lüthi ein bewusster Entscheid der Redaktion: «Das Statement des Baumeisterverbands wurde nicht im Social-Media-Video thematisiert, weil der Präsident des Arbeitgeberverbands, Severin Moser, mit seinen Argumenten Stellung nehmen konnte. Der Baumeisterverband ist Mitglied des Arbeitgeberverbands und war somit auch durch Herrn Moser vertreten, der die Argumente des Baumeisterverbandes wiedergab», erklärt Lüthi dem Klein Report. Sowohl Arbeitnehmervertreter sowie Arbeitgebervertreter hätten sich in der Sendung auf den Standpunkt gestellt, dass mit der Annahme der Renteninitiative Arbeiter im Bauhauptgewerbe bis 61 Jahre arbeiten müssten. «Das wird so im Video wiedergegeben. Beide Seiten hatten im Video die Gelegenheit, ihre Argumente aus Pro- und Kontra-Sicht wiederzugeben», zeigt sich Lüthi mit der Leistung ihrer Redaktion zufrieden.
Doch ein Blick des Klein Report auf die zahlreichen Kommentare auf X und Facebook zeigt, dass die korrekte politische Botschaft nicht bei allen Internetusern angekommen ist. So lautet etwa auf X ein Kommentar: «Das Problem der heutigen Zeit. Politiker von links bis rechts haben keinen Bezug zur Realität. Mit 67 in der Pflege, im Service, auf der Baustelle…» Werden Barbara Lüthi und ihr Team im Sinne im Sinne eines Faktenchecks solche falsche Schlussfolgerungen richtig stellen?
«Unsere Beiträge sollen auch auf Social Media zur Diskussion anregen. Für die Moderation der Kommentare wir die Social-Media-Netiquette von SRF angewendet – die Einhaltung dieser wird vom Community-Desk bei SRF verantwortet, und liegt nicht bei der Redaktion. Bei dem von Ihnen erwähnten Kommentar scheint es sich um eine persönliche Meinung eines Users/einer Userin zu handeln, die weder beleidigend, diskriminierend noch widerrechtlich ist, weshalb wir keinen Grund sehen, hier zu reagieren», sagt die «Club»-Redaktonsleiterin abschliessend zum Klein Report.