Der «Spiegel»-Betrugsfall im eigenen Haus wirft mediale Grosswellen. Die meisten Journalisten äussern sich zum Fall, einige recherchieren quasi «zuhause», welche Texte von Claas Relotius nun Fiktion oder wahr waren und welche im eigenen Verlag publiziert wurden.
In der Schweiz melden sich die «NZZ am Sonntag» (NZZaS) und das Magazin «Reportagen», das ausdrücklich für Qualitätsjournalismus und lange Texte steht. «Zwischen 2012 und 2014 haben wir sechs Texte des Autors publiziert. Wir prüfen derzeit, ob und inwiefern sie Falschinformationen enthalten haben», so Luzi Bernet, Chefredaktor NZZaS.
«Die Weltwoche» und Watson stehen auch im Visier. Watson vermeldete in einem eigenen Artikel, dass nur Spiegel Online zu den eigenen Content-Partnern gehöre und keine Reportage von Relotius auf dem eigenen Portal erschienen wäre.
Der Fall Relotius erschüttert die Branche zu einem Zeitpunkt, in der sie schon länger in der grössten Krise ihrer Geschichte steckt. Die Glaubwürdigkeit des Qualitätsjournalismus ist brüchig, der Wettbewerb unter den Kollegen brutaler und das Image der Branche schlecht. Redaktor Alex Baur von der «Weltwoche» findet: «Unsere journalistische Kultur fördert und produziert solche Katastrophen.»
Der Fall Relotius zeigt aber auch eines: Vielleicht ist damit endlich die Ära des schreibenden Reporter-Helden, der allein Recherchen betreibt, vorbei. Denn die wirklich gut recherchierten Geschichten stammten in den letzten Jahren fast alle von Teams - meist sogar international vernetzt.
Der freie Journalist Basil Weingartner bemerkte dazu auf Twitter: «Der `Spiegel` beschreibt Relotius nicht einfach als den verantwortungslosen Betrüger, der er ist. Sondern als gefallenen Helden, als Exkommunizierten. Damit folgt der Text einer Logik, die solche Exzesse mitverursacht: Dem in der Branche weit verbreiteten, fast religiösen Heldenkult.»