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Sonntag
26.04.2020

Medien / Publizistik

Berzins: «Die NZZaS ist in der Schweiz ein Leitmedium, die Kulturinstitutionen und die Künstler nehmen sehr ernst, was dort geschrieben wird.»

Berzins: «Die NZZaS ist in der Schweiz ein Leitmedium, die Kulturinstitutionen und die Künstler nehmen sehr ernst, was dort geschrieben wird.»

Der Kulturredaktor der «NZZ am Sonntag» (NZZaS), Christian Berzins, hat seinen Posten an der Falkenstrasse verlassen und wird ab Mai für den Medienkonzern CH Media schreiben.

Im Interview mit dem Klein Report lässt er die letzten vier Jahre bei der NZZaS Revue passieren - und erklärt, weshalb aus seiner Sicht die Oper relevanter als das Theater ist.

Was ist Ihre neue Aufgabe bei CH Media?
Christian Berzins: «Ich arbeite als Autor für die Ressorts Kultur, Leben, Wissen - oft für den schönen dritten Bund der 'Schweiz am Wochenende'. Ich werde grosse Freiheiten in der Themenwahl haben; die Klassik bleibt ein Schwerpunkt. Gefragt sind aber - dossierunabhängig - Lesestücke und Essays.»

Wie ist es für Sie, an Ihre alte Wirkungsstätte zurückzukehren?
Berzins: «Schön! Ich werde auf viele Freunde treffen.»

Welche Erfahrungen der NZZaS-Zeit werden Sie bei CH Media einbringen?
Berzins: «Ich habe meine Erfahrungen von der `Aargauer Zeitung` bei der NZZaS eingebracht: Geradlinig sein, eine klare Meinung haben, bisweilen polarisieren - und nicht ins Boot der Kulturmenschen oder mit ihnen an den Plaudertisch hocken. Der Lead meines ersten NZZaS-Artikels am 10. April 2016 lautete: `Der Vertrag des Chefdirigenten der Tonhalle Zürich müsste im Sommer verlängert werden. Doch der Stuhl von Lionel Bringuier wackelt. Zu Recht.` Am Dienstag danach hielt man mir mit versteinerter Miene zwei Abo-Kündigungen unter die Nase, als stände dort mein Todesurteil drauf. Im Sommer entschied die Tonhalle-Gesellschaft, sich von Bringuier zu trennen.»

Wie schauen Sie auf die vier Jahre bei der NZZaS zurück? Was hat Sie inspiriert, was herausgefordert?
Berzins: «Die NZZaS ist eine der schönsten und besten Zeitungen Europas, es ist ein Traum, dort zu arbeiten. Die NZZaS ist in der Schweiz ein Leitmedium, die Kulturinstitutionen und die Künstler nehmen sehr ernst, was dort geschrieben wird.»

In Ihrer Abschiedsmail schreiben Sie an ihre Kolleginnen und Kollegen: «Nutzt eure beneidenswerten Ressourcen klug». Wie ist das zu verstehen?
Christian Berzins: «Der Satz ist klar. Bei keiner anderen Schweizer Zeitung sitzen so viele kluge Köpfe, die so tolle Arbeitsbedingungen haben.»

Was sind die markantesten Unterschiede in der Arbeit als Kulturredaktor bei der NZZaS und bei CH Media, beziehungsweise der «Aargauer Zeitung» und der «Schweiz am Sonntag», für die Sie vorher arbeiteten?
Berzins: «Es gibt keine Unterschiede, die Leser und Leserinnen, beziehungsweise die Menschen in Zürich oder Aarau sind gleich. Man muss so schreiben, dass es bei ihnen etwas auslöst: Sie freut, sie nervt, sie spaltet. Alles andere langweilt. In meinem Abschiedsartikel heisst es: `Gefühls-Kleinsparer werden niemals Opernfan - den Beruf des Kritikers üben sie aber durchaus aus. Thomas Bernhard bewunderte und verriss die allergrössten Denker und Künstler. Eine Haltung, mit der man sich nur Feinde macht. Mir war es egal. Autor Alessandro Manzoni hatte recht: Man kann sich nicht gegen mittelmässige Übel erheben, und sich vor dem Höchsten verneigen.`»

Und was hat es mit dem «vergesst die Oper nicht» in Ihrer Abschiedsmail auf sich?
Berzins: «Die Oper ist das teuerste Kultur-Vergnügen der Stadt Zürich (80 Millionen Subventionen), da sollte man ein kritisches und gut geschultes Auge draufhaben. Wer meint, dass das Theater relevanter sei, irrt sich - Wirbelchen um die neuen Schauspielhaus-Leiter hin oder her. Hat irgendjemand das vermeintliche Skandalstück 'Der Streik' mehr als zu einem Schmunzeln oder Gähnen bewegt?»