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Samstag
03.09.2022

TV / Radio

Ein redaktioneller Ohnmachtsmoment: Bundesrat Ueli Maurer spricht zur besten Sendezeit zur «Frontex»-Vorlage, ohne dass die Gegenseite zu Wort kommen kann. (Bild Screenshot SRF)

Ein redaktioneller Ohnmachtsmoment: Bundesrat Ueli Maurer spricht zur besten Sendezeit zur «Frontex»-Vorlage, ohne dass die Gegenseite zu Wort kommen kann. (Bild Screenshot SRF)

Es ist ein dicker Fisch, der viele, viele Jahre lang nicht totzukriegen war.

Steht eine Volksabstimmung vor der Tür, strahlt SRF jeweils eine Ansprache des zuständigen Bundesrats aus – ohne dass die Redaktion in diesen drei Minuten zur besten Sendezeit irgendwie zurückfragen, kommentieren oder einordnen könnte. 

Am 25. April kam zum Beispiel Bundesrat Ueli Maurer zu Wort. Es ging um die Übernahme der EU-Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache («Frontex»-Vorlage), über welche am 15. Mai abgestimmt wurde. 

Das Beispiel landete vor der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI), die nun ein Exempel statuiert hat: «Die exklusive Darstellung der Meinung des Bundesrats widerspricht verfassungsrechtlichen Prinzipien und dem rundfunkrechtlichen Vielfaltsgebot», unterstützte das Gremium einstimmig das Argument des Beschwerdeführers – und verbannte damit den redaktionellen Ohnmachtsmoment vor Volksabstimmungen in die Mottenkiste Schweizerischer Hofberichterstattung.

Denn es gibt laut UBI keine gesetzliche Verpflichtung für SRF, die Meinung des Bundesrats in diesem speziellen Format und ohne gleichberechtigte Darstellung der Gegenmeinung zu präsentieren. 

«Das Vielfaltsgebot, welches vorsieht, dass Sendungen mit einem Bezug zu einer Volksabstimmung in der für die Willensbildung sensiblen Periode ausgewogen und unparteiisch sein müssen, um die Chancengleichheit beider Lager zu gewährleisten, wurde verletzt.» 

Die UBI befasste sich erstaunlicherweise zum allerersten Mal mit dem bundesrätlichen Exklusivformat, wo das Modelable «Staatsfernsehen» tatsächlich sitzt. Bei der Ombudsstelle hatte es dagegen schon mehrmals auf der Liste gestanden – vergeblich. Es gebe eine Abmachung zwischen SRG und der Bundeskanzlei, wies die Ombudsstelle die entsprechenden Beschwerden jeweils ab. Und sprach von einem «Schönheitsfehler», den man halt schlucken müsse.

Doch ist der alte Zopf nun nicht einfach ab. Mit dem UBI-Entscheid muss er aber neu geflochten werden. 

Es gehe nicht darum, «dass diese Stellungnahmen des Bundesrats nicht mehr ausgestrahlt werden dürfen», sagte UBI-Präsidentin Mascha Santschi am Freitagmittag in der SRF-Sendung «Rendez-vous». «Das können sie nach wie vor, aber sie müssen künftig eingebettet werden in einen Kontext, der auch die Gegenseite berücksichtigt.»