In der Genfer Gemeinde Vernier bleibt kommerzielle Plakatwerbung weiterhin verboten. Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen ein Verbot von 2023 abgewiesen. Beim Verband Aussenwerbung Schweiz (AWS) sorgt das Urteil des Lausanner Gerichts indessen für Kopfschütteln.
132 von 172 Plakatwände hat die mehrheitlich grün-rot regierte Gemeinde westlich vom Genfer Stadtzentrum demontiert. Dies, nachdem im letzten Juli ein Reglement in Kraft trat, das der Gemeinderat 2022 verabschiedet hatte.
Es verbietet kommerzielle Plakatwerbung, die «von öffentlichem Grund aus sichtbar» ist. Das Verbot gilt unabhängig davon, ob sich die Werbung auf öffentlichem oder privatem Grund befindet.
Vernier ist kein Einzelfall. Im März 2023 wurde ein Plakatwerbeverbot in der Stadtgemeinde Genf an der Urne knapp abgelehnt. Entsprechende Pläne gibt es derzeit unter anderem auch in Bern, wie der Klein Report berichtete.
Vier Aktiengesellschaften (im Urteil anonymisiert) und mehrere Privatpersonen zogen gegen das Plakatwerbeverbot vor Gericht. Am Freitag hat das Bundesgericht nun den Deckel definitiv draufgemacht: Das Verbot sei «grundrechtskonform».
Das Reglement stelle «keine nach Artikel 94 der Bundesverfassung verbotene wirtschaftspolitische Massnahme» dar. «Es verfolgt keine wirtschaftspolitischen Ziele und bezweckt keine Einflussnahme auf den freien Wettbewerb. Das Verbot zielt vielmehr darauf ab, das Ortsbild zu schützen, die Bewegungsfreiheit der Menschen im öffentlichen Raum zu verbessern, visuelle Verschmutzung zu bekämpfen und der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich unerwünschter Werbung zu entziehen.»
Dies seien allesamt «umwelt- und sozialpolitische Zielsetzungen», die im öffentlichen Interesse lägen, so das Bundesgericht weiter.
«Wir sind enttäuscht über das Bundesgerichtsurteil, das wir erst heute erhalten haben. Wir müssen es noch genauer analysieren», sagte Markus Ehrle, Präsident des Verbandes Aussenwerbung Schweiz (AWS), am Freitag gegenüber dem Klein Report.
Aber auf den ersten Blick sei die Argumentation des Bundesgerichts, gerade bezüglich der Berücksichtigung von umwelt- und sozialpolitischen Interessen, «nicht nachvollziehbar».
Auch bleiben laut Ehrle in der Umsetzung wohl weiterhin viele Fragen offen. So zum Beispiel, wie kommerzielle Plakatwerbung genau definiert wird und «wer dann für die Kosten der Infrastruktur und Bewirtschaftung noch erlaubter Plakatwerbung aufkommt».
«Wir setzen jedenfalls darauf und sind zuversichtlich, dass in anderen Städten und Gemeinden die Wirtschafts- und Meinungsäusserungsfreiheit Anerkennung findet und das Plakat als Kulturgut sowie als demokratisches, für jedermann zugängliches, bezahlbares und emmissionsarmes Kommunikationsmedium mit lokaler Wertschöpfung weiterhin seinen verdienten Platz findet», so AWS-Präsident Markus Ehrle weiter gegenüber dem Klein Report.
Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit und in die Eigentumsgarantie ist aus Sicht der Lausanner Richter zulässig. Das Plakatwerbeverbot basiere auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage, einem überwiegenden öffentlichen Interesse und sei verhältnismässig.
«Es bewirkt keine übermässige Beschränkung der Rechte von Plakatgesellschaften oder wirtschaftlichen Akteuren, die ihre Produkte oder Dienstleistungen bekannt machen möchten. Zur Bewerbung ihres Angebots gibt es unzählige andere Möglichkeiten», so die Begründung des Bundesgerichts.
Einen stärkeren Eingriff in Grundrechte bedeutet das Verbot auf privatem Boden, der von öffentlichem Grund einsehbar ist. Doch auch hier halten es die Richter immer noch für verhältnismässig.
Das Bundesgericht befürchtet Ausweichmanöver. Ohne Ausweitung des Verbots auf Privatgrundstücke könnte das Verbot «umgangen» werden.
Auch mit der Meinungsäusserungsfreiheit sei das Verbot für Werbeplakate vereinbar.
Die Exekutive der Gemeinde Vernier besteht aus dem Bürgermeister Martin Staub (SP), dem Liberalen Gian-Reto Agramunt (PLR) und dem Grünen Mathias Buschbeck.