Der Bund wird emsiger in den sozialen Medien. In der Bundeskanzlei wird ein «audiovisuelles Zentrum» aufgebaut. Als kommunikative Offensive oder Konkurrenz zu den Medien sieht man das im Bundeshaus aber nicht.
«Die herkömmliche, auf Journalistinnen und Journalisten ausgerichtete Kommunikation bleibt für den Bund zentral», sagt Urs Bruderer, stv. Leiter Kommunikation in der Bundeskanzlei, auf Nachfrage des Klein Reports zum massiven Ausbau.
Mit der Social-Media-Strategie will der Bundesrat dem Wandel der Informationsgewohnheiten Rechnung tragen. «Wir sehen dies als moderate Erweiterung und Ergänzung des bestehenden Informationsangebotes», so der ehemalige SRF- und «Republik»-Journalist weiter.
Ob vermehrt auf Twitter oder auf dem neuen Instagram-Account des Bundesrates: Die Kommunikation müsse «kanalgerecht» erfolgen. Die bisherigen Inhalte einfach nur auf den neuen Kanälen auszuspielen, funktioniere nicht.
Am Kommunikationsverständnis des Bundes ändere sich deswegen aber nichts. «Bundesrat und Departemente informieren die Öffentlichkeit im Rahmen ihres gesetzlichen Informationsauftrages rechtzeitig und umfassend (BV180), einheitlich, frühzeitig und kontinuierlich (RVOG 10), der Bundesrat pflegt die Beziehungen zur Öffentlichkeit (RVOG 11) und informiert über eidgenössische Abstimmungsvorlagen kontinuierlich, vollständig, sachlich, transparent und verhältnismässig (BPR 10a)», rekapituliert Urs Bruderer die rechtlichen Grundlagen, die die Bundesbehörden zum Informieren verpflichten.
Je direkter sich die Kommunikation des Bundes an die (jungen) User auf Social Media richtet, desto weniger werden sich diese bei den Medien informieren. Der Bundesrat warnt zwar vor «Desinformation» in den sozialen Medien und spricht davon, dass er mit seinem kommunikativen Vorstoss für «sachlichere» Debatten sorgen will.
Doch werden diese Debatten nicht auch unkritischer und unverständlicher, wenn der journalistische Filter und die Einordnung fehlen?, fragt sich der Klein Report rhetorisch.
Natürlich sei die Verbreitungs-, Vermittlungs- und Einordnungsleistung einer vielfältigen Medienlandschaft eine unersetzliche Grundlage für die Meinungsbildung der Bevölkerung, sagt Urs Bruderer zu diesen Bedenken. Darum gebe es Medienförderung. Und darum stehe in der bundesrätlichen «Strategie soziale Medien», dass die klassische Medienarbeit nicht an Bedeutung verlieren dürfe.
Trotzdem lässt sich nicht wegdiskutieren, dass der Bund damit «verlegerisch» auftritt: Er möchte die Kontrolle über seine Informations- und Meinungsflüsse haben. Da spielt auch die politische couleur keine Rolle. Das hat der Klein Report, der das Geschehen seit 21 Jahren genau beobachtet, nun zur Genüge beschrieben.
«Es ist eine Tatsache, der sich sowohl der Bundesrat wie die Medien stellen müssen, dass Teile der Bevölkerung keine klassischen Medien mehr konsumieren und politische Informationen oder News nur noch über die sozialen Medien aufnehmen», antwortet Bruderer auf einen umfangreichen Fragenkatalog des Klein Reports. Genau auf diese Gruppe ziele der Bundesrat.
Zum Beispiel könnten die Abstimmungserläuterungen künftig in den sozialen Medien zur Verfügung stehen. Aber auch allein von seiner schieren Präsenz auf Instagram und Twitter erhofft sich der Bundesrat der Desinformation ein Stück weit entgegenzuwirken.
Eine Konkurrenz zwischen Behördenkommunikation und journalistischer Polit-Berichterstattung verneint der Kommunikations-Mann, der vor zwei Jahren von der «Republik» ins Bundeshaus West gewechselt hat: «Der Bundesrat fördert die politische Auseinandersetzung im Netz und damit das Interesse an Informationen, auch an solchen der Medienhäuser. Er zieht die Aufmerksamkeit der Bevölkerung von professionellen journalistischen Angeboten also nicht ab, sondern bewirkt im besten Fall sogar das Gegenteil.»
14 Vollzeitstellen hat der Bundesrat für sein Informationsmanöver in den sozialen Medien bewilligt. Laut Bruderer sind 10 Stellen neu geschaffen worden, «je eine bei 6 Departementen und 4 bei der Bundeskanzlei».
Weiter werden 4 Stellen für den Aufbau des «audiovisuellen Zentrums» vom Zentrum für elektronische Medien (ZEM) zur Bundeskanzlei transferiert. Auf den Stellen-Etat für die klassische Medien- und Öffentlichkeitsarbeit habe die Umsetzung der Social-Media-Strategie «keinen Einfluss», sagt Urs Bruderer gegenüber dem Klein Report weiter.
Ob es in Zukunft möglich sei, mit den Magistratinnen und Sekretären auf Instagram, Twitter und Co zu interagieren, steht noch in den Sternen. In der Social-Media-Strategie des Bundesrates steht, dass es Richtlinien für eine «interaktive, dialogorientierte Kommunikation» brauche. Diese werden nun erarbeitet.