Seit dem 1. Januar 2020 tickt in den Redaktionen der konzessionierten Privatradios die Stoppuhr: Sie müssen täglich mindestens 30 Minuten Regionalinformation ausstrahlen.
Wie Recherchen des Klein Reports zeigen, regt sich Widerstand gegen die Messmethode des Bundesamts für Kommunikation (Bakom). Über die Kritik der Fernsehsender hat der Klein Report bereits berichtet. Doch wie sehen die Radiosender die Minuten-Vorgabe und Messmethoden der Behörde?
Offenbar wurde die Latte etwas hoch gehängt, als das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) auf Anfang 2020 die Konzessionen verlängert und dabei eine «quantitative Mindestvorgabe für Regionalinformation» festgelegt hat. Denn nicht weniger als ein Drittel der 31 Radiosender mit Konzession hat das Plan-Soll im letzten Jahr nicht erfüllt.
Namentlich verpassten drei Sender aus dem Raum Zürich (Zürisee, Radio 1 und Energy Zürich) die Minimalvorgabe, hinzu kamen zwei aus Bern (Bern 1, Energy Bern) sowie Radio 32, Radio Rottu Oberwallis und Energy Basel. Radio Griff aus der Romandie und Radio Ticino sendeten ebenfalls weniger Regionalinformation als verlangt. Das geht aus der «Programmanalyse» hervor, die das Bakom vor Kurzem publiziert hat.
«Grundsätzlich begrüsst Radio 1 selbstverständlich, dass die Einhaltung der konzessionellen Auflagen durch das Bakom überprüft wird», sagt Chefredaktor Dave Burkhard auf Anfrage des Klein Reports. Und er schiebt nach: «Wir bezweifeln aber, dass mit den vorgegebenen Zeitfenstern und den stichprobenartigen Kontrollen genau erfasst werden kann, wie gut die einzelnen Sender die Konzessionsvorgaben umsetzen.»
Denn in Konkurrenz zu den immer schnelleren Online-Medien sei es auch für Radio 1 wichtig, über Aktuelles möglichst zeitnah und schnell zu berichten. «Was dann ausserhalb der vorgegebenen Zeitfenster gesendet wird, mag zwar regional relevant sein, wird aber in der Bakom-Statistik nicht erfasst.»
Die von Dave Burkhard kritisierten Zeitfenster sind die vom Bakom als «Hauptsendezeiten» bezeichneten Abschnitte 6.00 bis 9.15 Uhr, 11.30 bis 13.30 Uhr und 16.00 bis19.15 Uhr, also 8,5 Stunden pro Tag.
Auf ein Beispiel angesprochen, nennt der Chefredaktor von Radio 1 das «Corona Talk Radio», das jeweils von 10.00 bis 12.00 Uhr live gesendet wird. Zu Wort kommen in der Sendung Zürcher Regierungsrätinnen und andere regionale Politiker, Gewerbler oder Vertreter aus der Gesundheitsbranche aus der Region.
In der Bakom-Wertung anrechenbar sei aber nur die letzte halbe Stunde der zweistündigen Sendung, so Burkhard. «Aus unserer Sicht macht es deshalb wenig Sinn, dass der regionale Service public zu festgelegten Zeiten stattfinden muss.»
Auf die Schwierigkeiten der Codierungspflicht im redaktionellen Alltag angesprochen, sagt der Radiomacher: «Es gibt weiterhin Unsicherheiten, was als regionaler Inhalt gilt und was nicht. Welche Corona-Meldung geht in die Wertung, welche nicht? Zudem kann es nicht sein, dass bei der Berichterstattung respektive im Programm zuerst an die wichtigen Zeitfenster und erst dann an Aktualität und Relevanz gedacht werden muss.»
An den fixen Zeitfenstern stösst sich auch Matthias Kost. Diese seien «willkürlich gewählt, denn Radio ist ein ‚Ganztages-Medium‘, da soll auch der ganze Tag berichtet und gemessen werden», so der CEO der Radio Zürisee AG zum Klein Report.
Wie Burkhard respektiert auch Kost die Aufsichtspflicht des Bakoms. Mit dem Wie hat aber auch er seine liebe Mühe. «Eine Messmethode nach der Menge an Minuten ist in einer Zeit, in welcher Informationen im Hörermarkt immer kürzer und kompakter nachgefragt werden, gegen den Markttrend.»
Doch im Fall von Radio Zürisee kommt noch ein Kritikpunkt hinzu. Denn der Radiosender mit Sitz in Rapperswil greift nicht in den Gebührentopf. «Wir erfüllen unseren Leistungsauftrag als konzessionierte Radiostation ohne Gebührengelder, müssen aber die gleichen Mindestvorgaben an regionaler Berichterstattung einhalten wie Gebührenradios. Wir finden es falsch, dass Radios ohne Gebührengelder gleich behandelt werden wie Gebührenradios.»
Auf Verbandsebene regt sich gegen die Vorgaben des Bakom und seine Messmethode offenbar Widerstand. Ein Rechtsgutachten, das dem Klein Report vorliegt, kommt zum Schluss, dass «die Vorgaben zur Berechnung des erbrachten Angebots an relevanter Lokal-/Regionalinformation gemäss Informationsblatt Bakom einen Eingriff in die Programmautonomie der regionalen TV- und Radio-Programmveranstalter begründen».
Dies vor allem deshalb, weil das Bakom «detaillierte, schwierig zu handhabende publizistische Kriterien vorgibt, welche die Programmveranstalter zu einer inhaltlichen Codierung ihrer Programminhalte zwingen», wie in dem vom Verband Telesuisse beim Medienanwalt Urs Saxer in Auftrag gegebenen Gutachten steht.
Konfrontiert mit dieser Kritik, heisst es beim Bakom: «Das Codiersystem ist schon seit Jahren eingeführt, und es wurde den Veranstalterverbänden mehrmals erläutert und im Austausch mit ihnen in Einzelfällen verfeinert.»
Die Codierung durch die Redaktionen soll eine «rechtsgleiche Beurteilung der zahllosen analysierten Meldungen sicherstellen», so Bakom-Sprecher Francis Meier weiter auf Anfrage des Klein Reports. «Aus Sicht des Bakom wird die Programmautonomie der Sender damit nicht verletzt. Es gibt keine konkreten inhaltlichen Vorgaben und auch keine Qualitätskontrolle.»
Dave Burkhard sieht eine Art Reporting als mögliche Alternative, wie die Einhaltung des Leistungsauftrags mit weniger Ach und Krach überprüft werden könnte: «Die einzelnen Sender erfassen, welche Inhalte zu welcher Zeit gesendet wurden. Dann kann das Bakom aufgrund dieser Erfassungen Stichproben anfordern, um zu überprüfen, ob zur angegebenen Zeit tatsächlich ein regionaler Inhalt gesendet wurde», skizziert der Chefredaktor von Radio 1 seine Idee.