Der tödliche Anschlag an einem Berliner Weihnachtsmarkt vom Montagabend entfacht eine alte Debatte aufs Neue: Wann und wie sollten die öffentlich-rechtlichen Sender in der Schweiz und Deutschland live über aktuelle Ereignisse berichten?
SRF blieb eisern bei seinem für den Montagabend vorgesehenen Programm und zeigte auf SRF 1 um 20.05 Uhr zuerst die Familienshow «Wir mal vier» mit Sven Epiney und danach die Gesundheitssendung «Puls», ohne vorerst mit einer Bauchbinde auf die schrecklichen Ereignisse in Berlin hinzuweisen.
Die ARD zeigte über eine Stunde lang das Quiz «Wer weiss denn sowas XXL» mit Kai Pflaume, bevor Ingo Zamperoni vom Newsdesk übernahm. ZDF zeigte den ersten Teil des Zweiteilers «Gotthard» mit einer Bauchbinde zu den aktuellen Ereignissen in Berlin, bevor dann um 21.45 Uhr das «heute-journal» übernahm und erstmals über die Ereignisse in Berlin berichtete.
Viele Zuschauer kritisierten die ihrer Meinung nach zu lange herausgezögerten Programmänderungen von ARD und ZDF. Doch die bleiben bei ihrer Linie.
Zumindest das ZDF weist die Vorwürfe klar von sich. Auf Anfrage von Focus Online sagte Intendant Thomas Bellut: «Wir haben entschieden, erst Fakten zu sammeln und ein Bild von der Lage zu bekommen, bevor wir das Programm unterbrechen. Ich halte diese Entscheidung auch im Nachhinein für richtig.»
Gegen 20 Uhr war am Montagabend der Tatverdächtige mit einem Lastschlepper in eine Menschenmenge am Berliner Breitscheidplatz unweit des Bahnhofs Zoo gerast. Zwölf Personen sind nach Angaben der Berliner Polizei gestorben, fast 50 Passanten wurden teilweise schwer verletzt.
Nach aktuellem Stand der Ermittlungen wird davon ausgegangen, dass sich der polnische Lastwagenchauffeur in der Fahrerkabine mit dem mutmasslichen Attentäter eine gewalttätige Auseinandersetzung geliefert hat: Demnach lebte der Pole bis zum Attentat und wurde mehrfach mit einem Messer gestochen, als er versuchte, ins Lenkrad des fahrenden Lastwagens zu greifen. Unmittelbar nach dem Attentat wurde er auf dem Beifahrersitz erschossen.
Der Attentäter befindet sich nach wie vor auf freiem Fuss. Eine verdächtige Person, die zunächst verhaftet wurde, wurde später wieder frei gelassen, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtete.
Auch wenn diese Informationen nur nach und nach ans Licht kamen, müssen sich ARD und ZDF von Usern im Netz seit gestern den Vorwurf gefallen lassen, viel zu spät reagiert zu haben. Vor allem, weil etwa der amerikanische Nachrichtensender CNN bereits eine Stunde früher live vom Anschlagsort berichtet hat.
Zurück zu SRF: Der Klein Report hat bei den zuständigen Stellen nachgefragt und wollte vor allem wissen, warum der Sender erst so spät die Zuschauer über die schrecklichen Ereignisse in Berlin informiert hat.
Stefan Wyss, Mediensprecher SRF, rechtfertigt sich gegenüber dem Klein Report: «SRF hat am Radio, Online und auf der SRF-News-App sehr schnell reagiert. Da waren die ersten Meldungen bereits gegen 21.00 Uhr draussen, es gab auch schnell einen News-Ticker. In solchen Situationen sind das unsere schnellsten Kanäle», erklärt Wyss.
«Beim Fernsehen ist klar, dass ein 24-Stunden-Newssender wie CNN bei solchen Ereignissen schneller ist als SRF. Wir sind kein reiner Nachrichtensender, sondern bieten ein Vollprogramm und haben nicht die Mittel, innert Minuten ein TV-Programm à la CNN auf die Beine zu stellen», behauptet Wyss.
«Aber auch das Fernsehen war sehr aktuell. Auf SRF 1 und SRF zwei waren ab circa 21:30 Uhr Laufbänder eingeblendet mit der Information, dass es in Berlin bei einem mutmasslichen Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt Tote und Verletzte gegeben hat und dass wir in `10vor10` darüber weiter informieren», so der Mediensprecher von SRF.
«Wir hatten diesen sogenannten Crawl wiederholt, aber nicht permanent auf dem Sender, weil wir erfahrungsgemäss damit die Zuschauer verärgern, welche ungestört das laufende Programm verfolgen wollen. Wir haben dann nach der Berichterstattung in `10vor10` mit einer `Tagesschau Spezial` um 23:00 Uhr und mit einer verlängerten `Tagesschau Nacht` reagiert», so Wyss abschliessend.