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Donnerstag
17.08.2017

IT / Telekom / Druck

«Noch keine gepanzerten Elektroautos»

«Noch keine gepanzerten Elektroautos»

Ein kluger medialer Schachzug von Angela Merkel: Die kandidierende Noch-Bundeskanzlerin liess sich am Mittwoch im Youtube-Studio in Berlin von vier blutjungen Videobloggern auf Herz und Nieren prüfen. Der Klein Report hat mitgehört.

Die Fragen an die zum vierten Mal kandidierende CDU-Magistratin stellten die Youtuber MrWissen2Go, ItsColeslaw, Alexi Bexi und Ischtar Isik. Die vier erreichen gemeinsam rund drei Millionen Abonnenten. Ihre Kanäle senden in unterschiedliche Himmelsrichtungen: Zusammen decken sie Themen wie Politik, Gesellschaft, Mode, Musik und Unterhaltung ab.

Mirko Drotschmann, der hinter dem Politik-Kanal MrWissen2Go steckt, verlangte von der Kanzlerin, ihre Beziehung zum türkischen Präsidenten Recep Erdogan im Facebook-Stil auszudrücken. «Wir haben viele Meinungsverschiedenheiten», antwortete die mit vielen Wassern gewaschene Taktiererin. Die Spannungen hätten stark zugenommen, doch immerhin rede man noch zusammen.

Angesprochen auf den immer noch hinter Gittern sitzenden deutschen Journalisten und «Welt»-Korrespondent Deniz Yürcel, versicherte Merkel: «Wir können immer wieder nur bohren, bohren, bohren, hart sprechen.»

Was die Bundeskanzlerin in spe zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit vorhabe und wie ihre bildungspolitischen Pläne aussähen, wollten die Videoblogger weiter wissen. Auch der Abgasskandal bei Volkswagen und Merkels verkehrspolitischen Versprechen waren Thema. Das Kanzlerauto laufe deshalb immer noch mit Benzin, weil es noch keine gepanzerten Elektromobile gebe, meinte Merkel zum Youtuber Alexi Bexi.

Wie sehr Merkels Antworten bei den Zuschauenden auch verfangen oder wirkunglos im Video-All verhallen mögen - ein kluger Schachzug war der Auftritt auf jeden Fall. Laut Youtube nutzen 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland jeden Tag die Videoplattform, um sich zu unterhalten und zu informieren. Mit ihrem Auftritt wird Merkel Wähler und Wählerinnen der digitalen Generation erreichen, die sie übers lineare Fernsehen kaum noch ansprechen könnte.

Erfrischend anders wirkte die Atmosphäre des Interviews. Zwar war das Bühnenbild im Berliner Youtube-Space den Hightechstudios der bekannten Polittalks nachempfunden. Und auch Kameraführung und Schnitt waren hochprofessionell.

Und doch lag da noch etwas Anderes in der Luft: Mit 31 Jahren war Drotschmann der älteste von Merkels Gesprächspartnern, die Schmink- und Mode-Youtuberin Ischtar Isik mit 21 Jahren die jüngste. An mancher Stelle schwang in den Stimmen der jungen Interviewer etwas Nervosität mit, was eine unbefangene Echtheit erzeugte und selbst die rollensichere Staatsmännin in eine symathische Nähe rückte. Die 63-Jährige sass grossmütterlich im Sofasessel, sichtlich entspannt mit gestreckt überkreuzten Beinen, und plauderte wohlwollend mit der nächsten und übernächsten Generation.

Ihre Premiere auf Youtube war es allerdings nicht. 2015 hatte Merkel auf Googles Videoportal schon einmal Red und Antwort gestanden. Damals hatte sie einen Youtuber noch zu sich ins Bundeskanzleramt bestellt.