Bei welchen Lehrstellen es «am meisten Cash gibt», hat die Online-Ausgabe von «20 Minuten» im März 2017 in einem längeren Artikel gross aufgemacht. Ein Leser störte sich daran, dass der Lohnvergleich «unvollständig» sei. Wie umfassend müssen Journalisten Zahlen zitieren?
Der Artikel von Nikolai Thelitz verglich die Lohntarife von Lehrlingen bei unterschiedlichen Unternehmen. Da seien Äpfel mit Birnen verglichen worden, fand ein Leser. Auf solch oberflächlicher Ebene könnten die Lehrberufe nicht miteinander vergleichen werden. Zudem seien die Datenquellen, auf die sich der Artikel stützte, unklar und die zitierten Zahlen «unvollständig». Die Story spiele unnötig Lehrberufe gegeneinander aus und mache sie unterschwellig schlecht, beschwerte sich der Leser beim Schweizer Presserat.
Anders sah dies das angerufene Aufsichtsgremium. Die Zahlenbasis habe der «20 Minuten»-Onlineredaktor transparent genug gemacht. Er hat im Artikel explizit darauf hingewiesen, dass er für seien Vergleich Daten des Lehrstellenportals Yousty heranzogen hatte. Und dass es sich um Lohnempfehlungen der jeweiligen Branchenverbände handle.
Im Abschnitt unter der grafischen Darstellung mit den «Flop 5» heisst es zudem: «Die vollständige Liste aller Lehrberufe mit Lohnempfehlungen findest du auf der Seite von Yousty.» Im Anschluss an die Grafik mit dem Titel «Beliebte Lehrberufe» geht der Artikel der Frage nach, warum die einen Lehrlinge mehr verdienen als die anderen. Zu Wort kommt dabei auch der Yousty-Geschäftsführer Urs Casty. Für die Leser sei damit «transparent gemacht, worauf sich die Zahlen abstützen», begründet der Presserat seine Ablehnung der Beschwerde.
Besonders interessant ist der Punkt, dass der Beschwerdeführer lediglich kritisierte, die publizierten Zahlen seien «unvollständig», und nicht etwa, dass sie falsch seien. Gestützt auf den berufsethischen Kodex der Journalisten stelle die Wahrheitssuche lediglich «den Ausgangspunkt der Informationstätigkeit» dar, erläutert der Rat dazu. «Sie setzt die Beachtung verfügbarer und zugänglicher Daten, die Achtung der Integrität von Dokumenten, die Überprüfung und die allfällige Berichtigung voraus.»
Der Kodex könne jedoch nicht dahingehend verstanden werden, «dass Journalisten verpflichtet sind, ein Thema unter sämtlichen Aspekten zu behandeln».