Content:

Sonntag
12.01.2020

Medien / Publizistik

Presserat: Die Veröffentlichung des Videos «zielte nicht auf Information ab, sondern einzig und allein auf Sensation und auf Klicks.»

Presserat: Die Veröffentlichung des Videos «zielte nicht auf Information ab, sondern einzig und allein auf Sensation und auf Klicks.»

Das Portal der Gratiszeitung «20 Minuten» veröffentlichte das Video eines Leser-Reporters: Darin zerfleischt ein American Staffordshire Terrier einen Spaniel-Schosshund. Für den Presserat ein No-Go.

«Kampfhund zerfleischt Spaniel vor Besitzerin» titelte der Online-Artikel am 19. März 2019. Eingebettet war und ist ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein American Staffordshire Terrier einen Spaniel zu Tode beisst. 

Die Besitzerin des kleinen Hundes, ein neunjähriges Mädchen, schaut zu, genauso ihre Grossmutter, die versucht, den Spaniel vor dem Angriff zu schützen. Besonders unter die Haut gehen die verzweifelten Schreie des Mädchens, die man auf dem gut einminütigen Clip des «Leser-Reporters» hört. 

Ausser Zweifel steht für den Presserat, dass die Medien über Kampfhunde berichten sollen und müssen. Vor allem dann, wenn sie andere Tiere oder Menschen angreifen.

Das Zerfleischen des Spaniels aber mit Bild und Ton vorzuführen, geht für das Aufsichtsgremium zu weit: «Es gab kein öffentliches Interesse an der Publikation des verstörenden Videos.» Alle wichtigen Informationen hätten im Text vermittelt werden können.

Besonders zu schützen sind laut Journalistenkodex Kinder. 20 Minuten Online machte das pure Gegenteil: Die Hauptprotagonistin des Videos ist ein neunjähriges Mädchen, in Panik versetzt und laut Redaktion derart «stark traumatisiert», dass später ein Spezialteam aufgeboten werden musste.

«Das Mädchen ist dem Publikum ungeschützt ausgeliefert. Zurückhaltung seitens der Redaktion ist keine zu spüren», schreibt der Presserat weiter. 

Auch die Grossmutter ist in einer Notlage, sie muss «machtlos» zusehen, wie der grosse Hund den kleinen «zerfleischt». «Diese sensationelle Darstellung der leidenden Enkelin und der Grossmutter geht klar darüber hinaus, was durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gedeckt wäre.»

Auch die Betrachter könne das Video «nachhaltig verstören». «Seine Veröffentlichung zielte nicht auf Information ab, sondern einzig und allein auf Sensation und - damit verbunden - auf Klicks.»

Nicht verletzt hat das Video die Privatsphäre der Betroffenen. Sie werden nicht hervorgehoben, und die Redaktion hat die beiden anonymisiert. 

Nach Veröffentlichung der Presserat-Stellungnahme am Freitagnachmittag war das Video immer noch online. Dem Gemetzel vorangestellt war eine «Warnung der Redaktion»: «Das folgende Video enthält Aufnahmen, die den Betrachter eventuell verstören können.»