Der NDR macht einen vom Gericht zensurierten Beitrag über Julian Reichelt mit Piepstönen und Schwärzungen trotzdem weiterhin einsehbar.
In ihrer Sendung «Reschkefernsehen» geht die Moderatorin Anja Reschke jede Woche einem Thema auf den Grund, «das die Gesellschaft bewegt».
Im Februar wurde eine Episode ausgestrahlt, in der es um den ehemaligen «Bild»-Chef Julian Reichelt ging. Thematisiert wurden die Vorwürfe des Machtmissbrauchs und des Fehlverhaltens gegenüber Frauen. Die Sendung wurde anschliessend in die Mediathek der ARD gestellt.
Mit den Aussagen war Julian Reichelt nicht einverstanden. Ende April erwirkte er beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, die es dem NDR untersagte, die entsprechenden Vorwürfe gegen seine Person zu behaupten sowie zu verbreiten.
Daraufhin hat der NDR die juristisch umkämpfte Folge aus der Mediathek entfernt. Jetzt ist das Dokument seit Dienstag wieder online, wie der «Spiegel» berichtet.
Von den 16 Passagen der Sendung, die Reichelt und sein Anwalt Ben Irle beanstandet haben, mussten einige aber «bearbeitet» werden. Es ging darin unter anderem um mutmasslichen Drogenkonsum am Arbeitsplatz, für den das Gericht offenbar keine ausreichenden Indizien sah, um Aussagen einzelner Frauen und beleidigende Chatnachrichten an eine Frau.
Die Redaktion des NDR-Magazins löste das Problem am Schneidetisch. An mehreren Stellen der Folge ertönt jetzt ein lautes Piepen, einige Zitate sind geschwärzt oder wurden um neue Sprechblasen ergänzt. «Die Aussage dieser Belastungszeugin ist derzeit Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung», heisst es dann zum Beispiel. Auch wurde der Sendung eine Textkachel vorangestellt, die die Bearbeitung dokumentiert. Es seien einige Passagen «vorläufig unkenntlich gemacht». Vorläufig, denn der NDR hat bereits angekündigt, Widerspruch gegen den Beschluss des Hamburger Landgerichts einzulegen.
Reichelts Anwalt hatte sich durch den Beschluss zunächst vollumfänglich bestätigt gesehen. Er liess mitteilen, dass durch die einstweilige Verfügung «wesentliche Teile der Berichterstattung» untersagt worden sind. Auf der anderen Seite betonte der NDR in einem Statement zum Fall, «die zentralen Punkte der Berichterstattung – Äusserungen über Machtmissbrauch durch Julian Reichelt und Äusserungen über die Weitergabe von Informationen während des Compliance-Verfahrens» – halte das Gericht für zulässig.
Reichelt musste den Axel-Springer-Konzern im Oktober 2021 verlassen. In einem internen Compliance-Verfahren hatten zuvor zahlreiche Mitarbeiterinnen gegen den früheren «Bild»-Chefredaktor ausgesagt. Es ging unter anderem um Affären mit Untergebenen und Machtmissbrauch. Reichelt bestreitet die Vorwürfe bis heute.