Die Angebote, die Macher und das Publikum in der Medienwelt zersplittern. Drei Tage lang diskutierten 23 Medienforscher am Mediensymposium auf dem Üetliberg bei Zürich, ehe sie zu diesem Schluss kamen. Der Zürcher Professor Kurt Imhof hatte mit dem Referat unter dem sperrigen Titel «Stratifizierte und segmentierte Öffentlichkeit - stratifizierte und segmentierte Aufmerksamkeit?» den aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zugereisten Wissenschaftern die Grundlage für ihre Beiträge geliefert. Für den Klein Report berichtet Roger Blum, der auch Mitveranstalter des Symposiums ist.
Das Medienangebot ist heute ein grosser Supermarkt, in dem sich die einen Kunden bloss Teigwaren holen, die anderen Spülmittel, die dritten Mineralwasser. Dies hat auch mit der Zersplitterung des Journalismus zu tun. Professor Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule Winterthur zeigte auf, dass es in der Schweiz grosse Unterschiede bei der Ausbildung, den Recherchebedingungen, der Qualitätssicherung und dem Organisationsgrad zwischen Medienschaffenden der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) einerseits, die hohe Standards erreichen, und Journalisten bei Gratiszeitungen, Privatradios/Privatfernsehsendern sowie Onlinemedien anderseits gebe. Der Anteil der systematischen Ausbildung ist seit 1999 zurückgegangen, hielt Wyss als Fazit seiner besorgniserregenden Bilanz fest. Demgegenüber entwarf Professor Horst Pöttker von der Universität Dortmund ein optimistischeres Bild. Da die Werbung wegbreche, könne das Trennungsgebot zwischen Journalismus und Werbung viel reiner verwirklicht werden. Pöttker plädierte für mehr ethnische Vielfalt im Journalismus: Redaktionen sollten zusätzlich Leute mit Immigrationshintergrund anstellen.
Peter Stücheli von der Zürcher Hochschule in Winterthur legte dar, auf welche Weise in der Schweiz der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein seine Botschaft «erzählt», um möglichst viele Stimmberechtigte zu erreichen. Gabriele Siegert, Professorin an der Universität Zürich, kam zusammen mit Matthias Gerth zum Schluss, dass die Schweizer Medien vor Volksabstimmungen breit und recht ausgewogen berichten und dass nicht übertrieben personalisiert wird. In Österreich reagierten die Medien vor den Nationalratswahlen von 2008 nicht nur auf die Parteien, sondern deutlich mehr als früher auch auf andere Medien, berichteten Josef Seethaler und Gabriele Melischek von der Österreichischen Akademie für Wissenschaften.
Die Aufmerksamkeit galt auch den Medien in den mehrsprachigen Ländern Belgien, Luxemburg, Lettland, Moldawien und der Schweiz, in denen die Sprachgruppen oft wenig voneinander wissen. Ein Integrationsmodell hat lediglich Luxemburg verwirklicht. Marlis Prinzing, Professorin an der Macromedia Hochschule Köln, zeigte am Beispiel Lettland, wie die Sprachgruppen unterschiedlichen Kulturen zugehören und sich misstrauisch beäugen.
Dass sich das Publikum in verschiedene Milieus aufdröselt, die sich in der Art, wie sie sich ihre Meinung bilden, stark unterscheiden, machte Professor Ralph Weiss von der Universität Düsseldorf klar. Katja Friedrich von der Universität München ging der Frage nach, inwieweit sich politische Meinungsbildungseffekte auch aus unterhaltenden Sendungen ergeben. Sie untersuchte dazu Late-Night- und Comedy-Shows, Personality-Talkshows, fiktionale Fernsehangebote sowie Soft News. Sie stellte beim Publikum bescheidene Lerneffekte in politischer Hinsicht fest. Kurt Imhof und Esther Kamber von der Universität Zürich beleuchteten die Hauptinhalte schweizerischer Medien und die Nutzungsvorlieben des Publikums und zogen den Schluss, dass die gemeinsame gesamtgesellschaftliche Agenda sehr klein geworden sei. Krasse Unterschiede gibt es zwischen hochgebildeten Älteren und mässig gebildeten Jüngeren.




