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Dienstag
17.09.2002

Eine anscheinend endlose Flaute im Anzeigenmarkt und ein Stellenabbau quer durch die Branche. Nach dem Schweizer Kongress der Zeitungsverleger stellte nun auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) fest: Die Lage bei den Zeitungen ist schlecht. Ein Indiz für den Ernst der Lage sei, dass der Verband am Dienstag in Hamburg die Zukunftsperspektiven erstmals hinter verschlossenen Türen erörterte. Bereits zwei Jahre daure der Einbruch am Werbemarkt. Die Frage sei nun, ob es sich um eine konjunkturbedingte Rezession wie derzeit auch in anderen Branchen handelt oder ob die Zeitungen eine Strukturkrise erfasst hat.

BDZV-Präsident Helmut Heinen hielt die These von der Strukturkrise für falsch, wie er auf dem Zeitungskongress deutlich machte. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlags, sieht das anders: Man müsse sich darauf einstellen, «dass die Erlöse, die jetzt nicht da sind, möglicherweise nie zurückkommen», sagte der Chef von Europas grösstem Zeitungshaus bereits vor Wochen. So stellte sich die Frage, ob der teilweise bereits in Internet abgewanderte Rubrikenmarkt - dazu gehören Immobilien-, Kfz- und Stellenanzeigen - , auch beim Anziehen der Konjunktur wieder zurückgeholt werden kann. Vor allem bei den Rubrikenanzeigen würden die Zeitungen die Konkurrenz des Internets zu spüren bekommen, erklärte Felix Neiger vom Baseler Marktforschungsunternehmen Prognos AG auf dem Kongress in Hamburg. Dies gelte insbesonders für die Stellenanzeigen, die zum Teil um fast 50% einbrachen. Am schlimmsten betroffen seien die überregionalen Blätter, die allerdings in den Boomjahren besonders stark vom Stellenmarkt profitierten. Die lokalen und regionalen Zeitungen in Deutschland haben im ersten Halbjahr 2002 14% im Anzeigengeschäft verloren - dies ist nochmals genauso viel wie bereits im vergangenen Jahr.

Gerade die überregionalen Zeitungen haben auf die Krise mit einer Erhöhung der Preise im Vertrieb reagiert. Erst vergangene Woche wurde auch «Bild» - Deutschlands auflagenstärkste Zeitung - zumindest in einigen Städten Westdeutschlands teurer. Höheren Preisen am Kiosk oder im Abonnement sind allerdings Grenzen gesetzt, zumal das Anzeigenaufkommen immer noch zwei Drittel der Erlöse ausmacht. Zur Erschliessung neuer Einnahmequellen forcieren deshalb viele Verlage derzeit den Strukturwandel vom traditionellen Zeitungsverlag zum Multimedia-Haus. Langfristig könnten die Verlage ihre Position in ihrem jeweiligen Einzugsgebiet nur halten, wenn sie neben der Zeitung auch andere Kommunikationskanäle vom Fernsehen bis zum Mobiltelefon in ihre Geschäfte einbezögen, heisst es im Prognos-Bericht.

Das Marktforschungsunternehmen sieht auch für das Kerngeschäft der Zeitungsverlage nicht schwarz. Im nächsten Jahr werde es bei den Anzeigenmärkten wieder aufwärts gehen - allerdings nur unter Voraussetzung eines Wirtschaftsaufschwungs. Prognos geht aber auch davon aus, dass der Lesermarkt der Zeitungen weiter schrumpft. Ein Grund dafür sei das Internet. Bei den Unter-30-Jährigen - das ergab eine auf dem Kongress vorgestellte Allensbach-Studie - habe das Internet die Tageszeitung in der Bedeutungshierarchie überholt. Voranschreiten wird nach Ansicht von Experten auch der Konzentrationsprozess in der Branche, der sich in diesem Jahr beschleunigt hat. «Die Zahl der Ein-Zeitungs-Kreise ist inzwischen mindestens auf 60% angewachsen», sagte Zeitungsforscher Horst Röper. Der Leiter des Deutschen Formatt-Instituts sieht daher keinen Anlass, bei Pressefusionen das Kartellrecht zu lockern, wie es vor allem grössere Verlage verlangen. Vergleiche auch: Drei Tage jammern im 5-Sterne-Hotel, St. Moritz: Den Medien die Kappe gewaschen