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Dienstag
08.08.2023

TV / Radio

Alles nur «Kult-Provokation»? ZDF-Dokumentation erzählt nichts über strukturelle Gewalt im Business, bleibt im Jetzt hängen, ohne die Vergangenheit der umstrittenen Band zu recherchieren... (Bild: Screenshot ZDF)

Alles nur «Kult-Provokation»? ZDF-Dokumentation erzählt nichts über strukturelle Gewalt im Business, bleibt im Jetzt hängen, ohne die Vergangenheit der umstrittenen Band zu recherchieren... (Bild: Screenshot ZDF)

Seit Wochen macht die brachiale «Neue Deutsche Härte»-Band «Rammstein» Schlagzeilen. Dies nicht wegen den seit Jahrzehnten polarisierenden, mit nationalsozialistischen Emblemen und pornografischen Elementen durchzogenen Musikvideos, Shows und Liedtexten, sondern wegen der #MeToo – Diskussion rund um den Leadsänger Till Lindemann.

Nun hat das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) eine Doku über Rammstein online gestellt: 28 Minuten Einblick «Hinter der Mauer des Schweigens».

Der Klein Report hat die Doku gesehen und stellt ernüchternd fest: Sie bleibt inkonsequent. Ausser den bekannten Vorwürfen bietet die Doku nichts Neues. Sie erzählt leider nichts zur strukturellen Gewalt im Business, sie bleibt voll im Jetzt hängen, ohne die Vergangenheit der umstrittenen Band zu recherchieren, wie es sich in einer Dokumentation gehört.

So fehlen Ausschnitte der 2015 produzierten Dokumentation «Rammstein in Amerika», auf Amazon Prime erhältlich, in der die Wichtigsten der Branche – Iggy Pop, Red Hot Chilli Peppers, Steve Tylor, Moby – vom «Feuer» und der unglaublichen «Darbietung von Kraft und Schönheit» schwärmen.

Dass Rammsteins Lieder Titel wie «Wiener Blut», «Ich tue dir weh», «B*******», «Pussy» etc. haben, wird überhaupt nicht zur Kenntnis genommen: Dabei gehört Gewalt zur Band wie ihre Pyroshow.

Die  typische Leni-Riefenstahl-Ästhetik auf der Bühne hat Rammstein lange zum Hätschelkind der Hochkultur des deutschen Feuilletons gemacht – auch davon bringt die Dokumentation, die doch fragt, weshalb niemand reden will: NICHTS.

Egal, was sich Till Lindemann in den vergangenen Jahren alles geleistet hat – es war immer unter dem Mythos der «Kult-Provokation». Ein Bildband mit Pornoinszenierungen mit Kinderpuppen, ein Vergewaltigungs-Gedichtsband, wurden vom Intellektuellenverlag Verlag Kiepenheuer und Witsch publiziert.

Der Verlag hat erst vor wenigen Wochen die Zusammenarbeit mit Lindemann gekündigt. Die Doku berichtet wenig von der juristischen Einschüchterung gegen alle, die berichten wollen, was hinter den Kulissen bei Rammstein vor sich geht; auch hier nichts zu den deutschen Gerichten, die generell Frauen gegenüber negativ eingestellt sind, wie viele neu erschienene Bücher belegen.

Deshalb überrascht es nicht, dass ein Hamburger Gericht der YouTuberin Kayla Shyx, die über ihr ganz persönliches Erlebnis in einem Rammstein-Konzert berichtet, eine Untersagungspflicht aufgedonnert hat. Shyx musste zudem die Gerichtskosten des Verfahrens tragen.

All dies erfährt man von Janina Findeisen und Ciara Cesaro-Tadic kaum. Was für eine verpasste Chance, Rammstein im Kontext des misogynen Musikbusiness, gerade in Deutschland, zu untersuchen. Die Doku, wie sprechend, endet damit, dass uns Till Lindemann am Bildschirm anschreit: «Alle haben Angst vor Lindemann.»

Die Macherinnen der Doku offensichtlich auch.