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Montag
10.12.2001

Der Bäcker Severino da Silva wurde an der Aufnahmeprüfung für das Studienfach Jura an der privaten Universität Estacio de Sa in Rio de Janeiro Neuntbester. Daran ist eigentlich nichts Besonderes. Nur: Da Silva ist Analphabet. Der 27Jährige hat die Prüfung geschafft, obwohl er Textaufgaben überhaupt nicht beachtet hat, sondern bloss Multiple-Choice-Fragen «bearbeitete». Der Uni-Rektor Gilberto de Oliveira Castro sagte zum Prüfungsergebnis des Analphabeten, das sei «das Problem, wenn man mit grossen Bewerberzahlen arbeiten muss». Ausserdem werde Da Silva ohne Mittelschulabschluss sowieso keine Zulassung für das Studium erhalten. Das wird Da Silva - auch «Wunder-Bäcker» genannt - wohl nicht weiter stören. Für die Aufnahmeprüfung meldete er sich ohnehin nur auf Bitte des Fernsehsenders «O Globo» an, der beweisen wollte, wie schlecht die Aufnahmeprüfungen der privaten Unis in Brasilien konzipiert sind. Medien und Bildungsexperten prangern seit Jahren «die praktisch nur auf Gewinn» ausgerichtete Arbeit der privaten Universitäten an. Das Geschäft scheint tatsächlich rentabel. Die Zahl der privaten Unis stieg in Brasilien von 1990 bis 2000 nach amtlichen Angaben von 696 auf 1004. Eine Sprecherin des Bildungsministeriums in Brasilia erklärte, die brasilianischen Universitäten seien bei der Festlegung der Kriterien zur Auswahl ihrer Studenten per Gesetz völlig autonom.