In einer gemeinsamen Recherche haben 15 internationale Medien ein Firmengeflecht enthüllt, das eine extrem invasive Spionage-Software an Despoten verkauft und die Schweiz als sicheren Hafen für die Verhüllung seiner Geschäfte nutzt.
«Wir haben insbesondere die Bezüge zur Schweiz recherchiert», sagte Lorenz Naegeli vom Recherchedesk der «Wochenzeitung» (WOZ), die an den Arbeiten beteiligt war, gegenüber dem Klein Report.
Spuren, die in die Schweiz führen, gibt es laut Naegeli vor allem zwei: «Einerseits das Chalet von Intellexa-Kopf Tal Dilian im Unterwallis und andererseits die Rolle des Tessiner Treuhänders Andrea Gambazzi, der - zumindest auf dem Papier - als wirtschaftlich Berechtigter der Thalstris Limited in Irland, dem Mutterkonzern der Intellexa-Unternehmensgruppe, gilt. Mit Champéry und Lugano bietet die Schweiz nämlich zwei wesentliche Schauplätze der Tätigkeiten von Intellexa.»
Intellexa, so heisst das Firmen-Konsortium, das eine ganze Produktpalette an Überwachungstools aus Europa in Länder wie Ägypten, Vietnam oder Madagaskar lieferte. Darunter auch eine Software namens «Predator», die die komplette Kontrolle über die Handys der Zielpersonen übernehmen kann, ohne dass diese etwas anklicken müssen.
Das Konsortium hat nicht einmal vor dem Versuch zurückgeschreckt, den libyschen General Haftar zu beliefern – trotz Uno-Waffenembargo, trotz Kriegsverbrechens-Vorwürfen.
Laut Schweizer Recht muss sowohl für den Export als auch für die reine Vermittlung von Spionageprodukten eine Bewilligung vorliegen. Eine solche ist bei der zuständigen Exportkontrolle beim SECO nicht beantragt worden.
Ausserdem hat die Bundespolizei (Fedpol) – und zwar erst auf Druck des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) – gegenüber der WOZ eingeräumt, sich zumindest mit Intellexa-Vertretern getroffen zu haben. Darüber hinaus wurde beim Bund gemauert, mit Verweis auf die innere und äussere Sicherheit des Landes.
«Angesichts der Tragweite dieses Themenfeldes – ein ungenügend regulierter Markt für extrem invasive Spionagesoftware – erwarten wir eine politische Reaktion», so Lorzenz Naegeli weiter zum Klein Report.
Die jetzige Gesetzgebung im Bereich der Vermittlung von Überwachungstechnologie, insbesondere von invasiver Software, sei ungenügend: «Die Kontrollbehörden haben eine passive Rolle. Sie kontrollieren, wenn die Firmen einen Export anmelden. Und nur dann.»
Das Intellexa-Konsortium operierte mutmasslich aus der Schweiz heraus, und zwar, wie Naegeli betont, «ohne dass die Behörden das auf dem Schirm hatten, obschon die Firma längst in Skandale verwickelt war, etwa in Griechenland».
Amnesty International fordert zum Beispiel ein Moratorium für invasive Spyware wie «Predator», so lange bis eine sinnvolle und effektive Regulierung gewährleistet ist. «Heute ist das Missbrauchspotenzial riesig», so Naegeli weiter.
An der Recherche waren 15 Medien beteiligt, koordiniert wurde sie vom Netzwerk European Investigative Collaborations. Sie stützt sich auf Hunderte vertrauliche Dokumente, die von «Mediapart» und dem deutschen Magazin «Der Spiegel» beschafft wurden und die mithilfe des Security Lab von Amnesty International analysiert worden sind.
«Die Recherchearbeit begann vor über einem Jahr, zunächst aber noch nicht so intensiv. Die Intensität änderte sich dann zunehmend und in den letzten zwei, drei Monaten waren dann zunächst fünf, danach sieben und in der Endphase ein Dutzend Personen stark involviert», so WOZ-Journalist Lorenz Naegeli zum Klein Report.
Der Kontakt zur WOZ sei zustande gekommen über «persönliche Kontakte von früheren Recherchen, etwa zum AfD-Spendenskandal und der Beteiligung der SVP-Werbeagentur Goal AG daran», erklärte der Journalist.