In Belarus sind derzeit 28 Medienschaffende in Haft. Mehr als 20 belarussische und internationale Medien wurden als extremistisch eingestuft.
Jetzt muss eine Medienschaffende noch zusätzlich vor der Willkür des Regimes bangen, wie Reporter ohne Grenzen (RSF) öffentlich macht.
Eine junge Frau in einem Gitterkäfig, die lächelnd das Victory-Zeichen zeigt: Die Bilder vom Prozess gegen die belarussische Journalistin Katerina Andrejewa erschütterte im Februar 2021 das Fernsehpublikum in aller Welt. Während eines Livestreams war die Korrespondentin des polnischen Fernsehsenders Belsat festgenommen und wegen angeblichen Aufrufs zur groben Verletzung der öffentlichen Ordnung zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. In diesem Herbst sollte sie freikommen.
Doch nun steht Andrejewa erneut vor Gericht: Am 4. Juli begann hinter verschlossenen Türen ein Prozess wegen Landesverrats gegen die Journalistin. Was genau ihr vorgeworfen wird, ist unbekannt. Ihr drohen bis zu 15 Jahre Freiheitsentzug.
«Der neue Prozess gegen Katerina Andrejewa zeigt, wie weit die belarussischen Behörden mittlerweile gehen, um sich für die unabhängige Berichterstattung über die Proteste 2020 zu rächen», erklärt RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. Im Schatten des Ukraine-Kriegs gehe es um eine völlige Entfernung unabhängiger Nachrichten und abweichender Meinungen aus der belarussischen Öffentlichkeit.
Das Verfahren gegen Andrejewa ist nicht das einzige Beispiel für die zunehmende Härte gegen kritische Journalistinnen und Journalisten in Belarus. Allein im vergangenen Juni fanden fünf grössere Prozesse gegen unabhängige Medienschaffende statt.
Seit dem 23. Juni steht die Journalistin Irina Slawnikowa des polnischen TV-Senders Belsat wegen der angeblichen Leitung einer extremistischen Formation und der Teilnahme an Aktivitäten zur groben Störung der öffentlichen Ordnung vor Gericht. Ihr drohen bis zu sieben Jahre Haft. Das Verfahren findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Für Empörung sorgte auch der Prozess gegen Oksana Kolb. Ein Minsker Gericht sprach die Chefredaktorin der Wochenzeitschrift «Nowy Tschas» am 15. Juni der Teilnahme an Handlungen zur groben Verletzung der gesellschaftlichen Ordnung schuldig.
Zuvor hatte sie zugegeben, an einem Protestmarsch im August 2020 teilgenommen zu haben. Die Strafe dafür: zweieinhalb Jahre Strafarbeit in einer offenen Strafvollzugsanstalt.
Auch der Fall von Andrej Kusnetschik veranschaulicht die Willkür der belarussischen Behörden: Der freie Journalist des US-finanzierten Senders Radio Swoboda wurde am 25. November 2021 verhaftet und zweimal für leichten Hooliganismus zu je zehn Tagen Haft verurteilt. Nach dem Ablauf der Strafen blieb er jedoch in Haft und wurde am 8. Juni ein weiteres Mal verurteilt – zu sechs Jahren verschärfter Haft wegen Bildung einer extremistischen Formation. Gemeint ist damit seine Arbeit für das Radio.
Sogar ganze Redaktionen wurden ins Visier genommen: Am 6. Juni begann hinter verschlossenen Türen der Prozess gegen Belarus´ älteste unabhängige Nachrichtenagentur Belapan. Auf der Anklagebank sitzen die Chefredaktorin Irina Lewschina, Ex-Direktor Dmitri Nowoschilow, der Mediamanager Andrej Alexandrow und seine Lebensgefährtin Irina Slobina. Die Anschuldigungen reichen von der Bildung einer extremistischen Formation über Steuerhinterziehung bis zu Organisation von Protesten und Landesverrat. Den Angeklagten drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Der Horror: Diese Liste ist noch lange nicht vollständig.