Angeblich stehen Journalisten ja mehrheitlich politisch links. Die erste Veranstaltung zu Pressethemen der letzten Dezember von Tito Tettamanti gegründeten Medienvielfalt Holding AG in Zürich widmete sich der Suche nach möglichen Gründen. 60 Männer und drei Frauen interessierte das; mit Marina Masoni stand immerhin eine Frau als Verwaltungsratspräsidentin an der Spitze.
Die frühere Tessiner FDP-Regierungsrätin legte sich als in der Wolle gewaschene Liberale gleich zu Beginn feurig ins Zeug und erläuterte, weshalb die Medienvielfalt Holding überhaupt habe gegründet werden müssen: «Es findet im Schweizer Journalismus ein Kulturkampf statt und es gibt viele verdeckte Agenden. Die Medien, mit denen wir geflutet werden, haben immer weniger Qualität, ihre Journalisten verstehen sich nicht mehr als objektive Beobachter, sondern als Missionare. Wer eine liberale Wertehaltung hat, kann über diese Situation nicht glücklich sein, die öffentliche und die veröffentlichte Meinung sind eine andere, Bürger und Journalisten leben in verschiedenen Welten.»
Kurt W. Zimmermann, langjähriges Konzernleitungsmitglied bei Tamedia, wies anhand seiner «Medienkarte und Meinungskarte der Schweiz» nach, dass die hohe Zeitungsdichte und die Meinungsvielfalt eben deshalb Illusion seien, weil sich die Schweiz heute nur noch in sechs Zeitungsmonopole und gar nur zwei Verlagsmonopole aufteile, «und die auflagenstarken Zeitungen stehen politisch eher links». Zimmermann: «Die Branche kennt, anders als jede andere Branche, aber auch keine materiellen Anreizsysteme. Da bleibt als Anerkennung nur das Schulterklopfen der Kollegen, und es braucht schon sehr viel Mut, eine andere Meinung als der Rest der Redaktion zu haben.»
Dieser Linksdrall, wies Professor Christian Pieter Hoffmann, Dozent an der Universität St. Gallen, minutiös mit Zahlen nach, sei aber beileibe kein Schweizer Phänomen: «In den USA sind von 100 Journalisten 90 Demokraten und lediglich zehn Republikaner.» Traurig für die Übermacht, dass ihr Einfluss bei Wahlen trotzdem relativ gering sei und zunehmend schwinden werde: «Die Beeinflussung durch den Zeitungskommentar wird relativiert durch die neuen Medien, durch Internet, soziale Medien und Online.»
Markus Somm, Chefredaktor der «Basler Zeitung», hat die Entwicklung seit seiner Studienzeit beobachtet und ist nicht erstaunt: «Viele Journalisten waren einst Achtundsechziger, manche Maoisten und/oder Trotzkisten; sie waren aber auch schlicht besser, so dass die Zeitungen, die sie prägten und nach links führten, damals auch die besser gemachten Zeitungen waren.» So wie die Journalisten in den 1970er-Jahren gegen den bürgerlichen Mainstream anschreiben und enthüllen konnten, ist es nach Somm aber heute mit der eher bürgerlich stehenden Presse, die - siehe «Weltwoche» - die Skandale bei Staat und Verwaltung (wo heute viele Linke das Sagen hätten) aufdecke.
Somm: «Letztes Jahr, als Moritz Suter der Verleger der `Basler Zeitung` war, traf man sich einmal mit der ganzen Redaktion zu einer Diskussion über die publizistische Ausrichtung der BaZ. Als ich den Journalisten in der damaligen BaZ-Redaktion vorhielt, zu einseitig und zu gleichförmig zu denken, wurde das bestritten. Also machte ich die Probe aufs Exempel und fragte sie: `Wer hält den Atomausstieg für richtig?` Neunzig Hände gingen in die Höhe. Zwei waren anderer Meinung: Moritz Suter und ich.» Somm kann gut damit leben: «Ein Journalist kann Hofschranze oder Hofnarr sein. Mir macht es mehr Spass, Hofnarr und Kritiker zu sein, als den politischen Eliten, die heute oft links von der Mitte stehen, nach dem Mund zu reden.»
Dass die meisten Journalisten der Linken zuneigen, habe damit zu tun, dass sie zusehends einem homogenen Milieu angehören: «Man kennt sich vom Studium, lebte oft in der gleichen WG, man teilt Freunde und Bekannte, man denkt ähnlich, ohne sich dessen bewusst zu sein. Ein Vorteil hatte die Parteipresse: Man war gezwungen, sich zu widersprechen. Das ist heute leider zu selten der Fall.»
Nationalrat Filippo Leutenegger, langjähriger SRG-Mitarbeiter und BaZ-Verwaltungsratspräsident, erklärte den «extremen Schmusekurs» so vieler Journalisten mit dem Staat aus ganz persönlicher Warte: «Früher waren die Journalisten Linke, wollten den Staat zu Gurkensalat machen. Heute dominieren die Linken diesen Staat zu einem guten Teil und kein linker Journalist kann mehr ein Interesse daran haben, dort Skandale aufzudecken.»
Und wie wird es weitergehen? Immer mehr linker Mainstream oder zunehmend auch Aufmüpfigkeit von rechts, wie sie jetzt auch in Basel zu beobachten ist? Filippo Leutenegger sieht es nicht ganz so leicht, gegen links anzuschreiben: «Die SRG mit ihren 6000 Mitarbeitern ist der wichtigste Arbeitgeber in den Medien überhaupt, und jeder möchte eines Tages vielleicht dorthin. Da überlegt es sich ein Journalist drei Mal, bevor er gegen die SRG anschreibt.»
Hoffmann sieht die Krux mit der SRG anderswo: «Das Problem ist nicht, dass die SRG einseitig ist, sondern dass sie so tut, als sei sie es nicht.» Doch der St. Galler Professor sieht trotzdem einen Silberstreifen am Horizont und Hoffnung für die gut gemachte Zeitung: «Die einzige Chance der Zeitung und ihre Stärke liegt in der Recherche. Die News kommen heute aus dem Internet, Meinung ebenso. Was das Internet noch nicht kann, ist recherchieren.»