Dass seit rund zehn Jahren das Aufregendste und Kreativste in Sachen filmischer Unterhaltung nicht mehr aus Hollywood, sondern von US-Kabelfernsehsendern wie AMC («Breaking Bad») oder Showtime («Homeland») stammt, daran hat man sich gewöhnt. Neu ist, dass auch Internetportale ins Geschäft mit den TV-Serien einsteigen, und das mit Erfolg: Netflix lancierte mit «House of Cards» eine Serie, die es in Sachen Qualität und Erfolg durchaus mit den Produkten der Fernsehsender aufnehmen kann.
Premiere hatte die Serie nicht auf einem der üblichen US-Pay-TV-Sender, sondern als kostenpflichtiges Angebot auf Netflix. Und anders als TV-Sender, die die Fans einer Serie üblicherweise eine Woche lang auf die Folter spannen, bis die nächste Folge ausgestrahlt wird, stellte Netflix gleich die komplette erste Staffel online. Medienkonsumenten sind nicht mehr bereit, sich vorschreiben zu lassen, wann sie eine Sendung zu schauen haben.
«Online first» scheint sich also auch bei TV-Serien als erfolgsversprechende Strategie zu etablieren. Die Ausstrahlung im Fernsehen, wie die erste Staffel «House of Cards» ab Montag auf SRF 1 (23.45 Uhr), ist nur noch Zweitverwertung.
«House of Cards» bricht auch sonst mit einigen ehernen Gesetzen der Serien-Industrie. Auf einen Pilotfilm, der üblicherweise über Leben und Tod einer Serie entscheidet, haben die Macher um Starregisseur David Fincher («The Social Network») und Hauptdarsteller und Produzent Kevin Spacey verzichtet. Die detaillierte Analyse des Nutzerverhaltens auf Netflix vermittelte die Sicherheit, dass eine Serie rund um politische Intrigen in Washington mit Kevin Spacey in der Hauptrolle funktioniert und sich die Investition in eine komplette erste Staffel lohnt.
Wer sich «House of Cards» anschaut, erhascht so wohl tatsächlich einen Blick auf die kurzfristige Zukunft der TV-Fiktion. Aber auch inhaltlich ist die Serie für Medienschaffende interessant: Das liegt vor allem an der Rolle der jungen Journalistin Zoey Barnes (Kate Mara), die bei den Intrigen des Protagonisten Frank Underwood (Kevin Spacey) eine zentrale Rolle spielt.
Barnes arbeitet zu Beginn der Staffel 1 beim «Washington Herald», einer kaum verhüllten Anlehnung an die «Washington Post». Die ebenso ehrgeizige wie skrupellose Barnes, ein «digital native» und weiblicher Bob Woodward des 21. Jahrhunderts, verzweifelt in den ersten Folgen an den behäbigen Strukturen des altehrwürdigen Printtitels «Washington Herald» und wechselt dann, soviel sei verraten, zu einer Online-Zeitung.
Fortan kann sie ihre Storys direkt vom Smartphone aus online stellen, ganz ohne lästige Faktenchecks durch Redaktoren und langwierige Diskussionsrunden. Ein Fortschritt?
Selten wurde der Wandel im Journalismus des 21. Jahrhunderts eindrücklicher und authentischer dargestellt. Schon deshalb lohnt es sich, «House of Cards» anzuschauen - egal auf welchem Medium.