Am Samstag steigt in Winterthur ein fragwürdiges Spektakel. Brian Keller, bekannt als «Carlos» und berühmtester Häftling der Schweiz, will als Boxer sein neues Leben beginnen. Es ist ein verantwortungsloses Spiel. Und die Medien werden zu Mittätern.
Die hehre Kunst des Faustfechtens ist eine der ältesten und technisch anspruchsvollsten Sportarten. Es sind nur selten rohe Kraft und dumpfe Gewalt, die über Sieg und Niederlage entscheiden, sondern Technik, Taktik, psychologische «Kriegsführung» – und die komplette Umsetzung aller physischen Voraussetzungen: «Tanzen wie ein Schmetterling, stechen wie eine Biene», pflegte der unvergessliche Muhammad Ali sein Erfolgsrezept zu umschreiben.
In den Medien blickt man dem Fight von Brian Keller in der AXA-Arena in Winterthur mit einer Mischung aus sportlichem Voyeurismus und gesellschaftlicher Faszination entgegen: «Verlieren ist keine Option – daran denke ich gar nicht», lässt der «Blick» Keller sagen.
In der «Winterthurer Zeitung» schiebt der Box-Champion in spe nach: «Ich bin besser, böser, stärker». Und im «Tages Anzeiger» heisst es: «Jetzt soll es kommen, das echte Leben des Brian».
Doch spätestens dieser Titel ist wie eine schlecht getimte «Links-rechts-Kombination». Auch wenn ein Box-Kampf literarisch als Metapher auf das Leben wahrgenommen werden kann – auch wenn einige der grössten Denker der Menschheitsgeschichte von diesem Sport hochfasziniert waren.
Auch wenn das Boxen den Sport auf seine Essenz reduziert (oder befördert), gibt es im Fall von Brian aka Carlos und seinem Debüt als «Spitzensportler» vor allem Fragezeichen.
Wenn der 29-Jährige, der in der Schweiz von keinem Boxklub eine Lizenz erhielt und nach Deutschland ausweichen musste, am Samstag gegen den afrikastämmigen Franzosen Claude Wilfried (einen Mann, der in der Szene kaum bekannt ist und dessen Kampfrekord auch frei erfunden sein könnte) in den Ring tritt, darf das Publikum kaum Sport auf höchstem Niveau erwarten.
In Winterthur wird man wohl das sehen, was in manchen Innenstädten Samstag für Samstag zur schlechten Gewohnheit wird: Eine Strassenprügelei unter testosterongeschwängerten postjuvenilen Männern.
Grosse Schlagzeilen sind dennoch garantiert.